Zwangsarbeit im Rhein - Neckar - Raum. Ein Projekt an der IGMH

         


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Schlossgarten-Lager







Jean Chénal





Geboren in Etival 1926, wohnhaft in 1944 Moyenmoutier bei Saint-Dié.

Zwangsarbeit in Mannheim bei den Stadtwerken: Straßenbahndepot

Barackenlager am Schlossgartendamm


Das Lager befand sich am Eisstadion zwischen Schloss und Rheinbrücke.

 


Chenal

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jean Chénal beim Besuch 2003 in Mannheim


Verschleppung aus Moyenmoutier


Ich bin einer der Deportierten von Moyenmoutier.
Wir befanden uns in den Kellern der Häuser, die Amerikaner waren schon ganz nahe. Da kamen die Deutschen, Soldaten der Wehrmacht, und haben nach uns gesucht in den Luftschutzkellern. Das war die Wehrmacht, nicht die SS oder Gestapo wie in den Nachbarorten.
Und dann wurden wir auf dem Dorfplatz vor dem Rathaus versammelt. Wir sind zu Fuß aufgebrochen mit Lebensmitteln für zwei Tagen. Die Deutschen haben uns gesagt, das sei deshalb, weil wir Gräben bauen und deshalb sollten wir Lebensmittel für zwei Tage mitnehmen.
Es war schlechtes Wetter beim Abmarsch, es regnete zwar nicht, aber dann unterwegs fiel sein sehr feiner und sehr kalter Regen. Wir kamen nach St.Jean d’Ormond, dem nächsten Dorf, wo wir in einer alten Weberei übernachteten. Am nächsten Morgen sind wir sehr früh weitermarschiert und nach Provenchères gekommen. Als wir dort ankamen, haben die Deutschen Brot verteilt, ein Brotlaib für mehrere.
Und dann, der Zug stand schon da, sind wir eingestiegen und abgefahren. Der Zug bestand aus mehreren Wägen, er war praktisch voll besetzt. Ich erinnere mich, dass wir über Schirmeck fuhren, denn der Zug hielt in Schirmeck und blieb dort lange stehen. Weil wir etwas vom KZ Struthof (Natzweiler) wussten, haben wir gedacht, dass wir dafür bestimmt seien, wir haben etwas vermutet in dieser Richtung. Aber danach sind wir weitergefahren, wir kamen durch Straßburg, und da wussten wir, dass wir nach Deutschland verschleppt würden.

Ankunft in Mannheim
Wir sind in Mannheim angekommen und verteilt worden. Da kamen die deutschen Patrons, die Vertreter der Firmen, die warteten auf uns, ein wenig wie auf dem Viehmarkt. Das war in der Nähe des Bahnhofs; wir sind da nicht viel marschiert in Mannheim. 

Wir wurden dem Straßenbahndepot zugewiesen. Ich hatte gesagt, ich sei Dreher, weil ich mich damit ein wenig auskannte. Also habe ich die ganze Zeit an einer Drehbank gearbeitet.

Das Lager am Schlossgartendamm

Das Lager war am Eisstadion, nahe der Rheinbrücke und nahe am Schloss. Das waren drei Baracken, die nicht sehr groß waren. In meiner Baracke waren nur kleine Zimmer drin, wir waren zu viert im Raum. Da standen zwei Stockwerksbetten. Die drei Baracken waren für die Arbeiter des Straßenbahndepots. Ich glaube, das war nur für uns Leute aus den Vogesen. Ich gehörte mit meinen 18 Jahren zu den Jüngsten, aber es gab auch einen 16jährigen. Wir Jungen waren zu sechst.


Verpflegung im Lager


Und es gab eine kleine Küche in der Baracke. Drei Frauen bereiteten da das Abendessen. Diese Küche war zuständig  für das Abendessen, mittags aßen wir im Depot. Die Frauen die für uns gekocht haben, waren zwei ältere und eine junge, welche die Ehefrau eines SS-Manns war. Von einer der Frauen erinnere ich mich an den Namen: Frau Vetter. Einmal war ich krank, da haben sie mich ein wenig gepflegt. Ich erinnere mich, dass sie Angst vor den schwarzen Amerikanern hatten, die kommen würden.
Die Baracken waren nicht groß, ich schätze, dass in meiner Baracke 8 Zimmerchen waren. Es gab keinen großen Raum. Wir hatten keinen Aufenthaltsraum oder Essraum. Wir holten unsere Suppe am Abend und wir aßen in unserer kleinen Stube.
Es gab einen Raum mit Vorräten in den Baracken, aber es war oft nicht genug. Manchmal haben die Frauen uns fortgeschickt, damit wir in den Kellern Kartoffeln oder Gemüse organisierten, das haben wir auch gemacht. Die Alten, die den 1.Weltkrieg mitgemacht hatten, trugen eine Pelerine und einen Rucksack. In diesem Rucksack haben sie die Sachen mitgebracht, die sie organisiert hatten. Wir haben dann Kartoffeln in kleine Scheiben geschnitten und an den Ofen geklebt, bis die Stücke durch waren
Was das Frühstück betraf, so erinnere ich mich nicht, ich glaube da gab es nichts. Auch an den Sonntagen, wo wir nichts arbeiteten. Wir versuchten, irgendwo ein Stammessen zu bekommen. Wir haben ein wenig Geld bekommen, damit wir in ein Restaurant gehen konnten. An Sonntagen waren die Frauen jedenfalls nicht da, die Küche war geschlossen. Sie bereiteten nur die Suppe für das Abendessen während der Woche.
Das Lager war nicht abgeschlossen oder bewacht, wir konnten in die Stadt gehen. In der Umgebung des Lagers gab es keine bewohnten Häuser, da war das zerstörte Schloss, es stand leer. Aber in einem Teil davon befand sich das Gefängnis.


F: Gab es eine Waschmöglichkeit?
Ja. In den Baracken waren solche ziemlich primitiven großen Waschbecken. Da war es kalt, in dem Raum gab es keine Heizung. In unseren Stuben standen kleine runde Öfen. Aber wir bekamen kein Heizungsmaterial, das mussten wir uns selbst beschaffen. Wir sammelten Holz bei der Rückkehr von der Arbeit, wir durchsuchten ein wenig die Ruinen und die Umgebung. Und dann machten wir Feuer abends, wenn wir heimgekommen waren.  Ich erinnere mich an unser Zimmer: ich war mit zwei ehemaligen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg zusammen. Einer von ihnen arbeitete auch im Depot und hatte die Möglichkeit, in seinem Rucksack Kohle mitzunehmen. Er hatte den Rucksack der französischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, und darin nahm er Koks mit. Mit der Kohle hielt das Feuer viel länger an.
Mir war nicht kalt, weil ich oben im zweiten Stock der Pritschen schlief. Die Jungen schliefen immer oben.

 

Aus der Liste der Vogesen-Zwangsarbeiter bei den Stadtwerken. Jean Chénal wird als Dreherlehrling bezeichnet und sein älterer Bruder als Schreiner, die Lagerangabe ist: "Schlossgartendamm".


Sonntags


F: Was hat man an den Abenden gemacht oder an den Sonntagen?

Wir hatten nichts, keinen Tisch, keine Stühle. Wir hatten die Pritschen, das war alles. Manchmal haben wir auf dem Fußboden Karten gespielt.  Wir waren nicht bewacht, wir hatten also eine gewisse Freiheit, das war nicht schlecht. Aber trotzdem war das Leben nicht angenehm. An Sonntagen gingen wir in Kneipen, in Restaurants, um ein Stammessen zu bekommen. Mit wenigen Pfennigen sind wir ausgegangen. Das war in die Stadt, dort waren noch einige Restaurants übrig geblieben. Wir haben nie Probleme mit Deutschen gehabt, etwa dass sie uns nicht in die Restaurants lassen wollten.


Arbeit im Straßenbahndepot

Wir sind immer mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren und zurück. Nur zwei oder dreimal, als sie wegen Bombenzerstörungen nicht fuhr, gingen wir zu Fuß.
Im Depot habe ich immer die gleiche Arbeit gemacht.
Bei der Arbeit im Depot waren meines Wissens außer den Deutschen nur Franzosen  beteiligt. Es gab auch französische Kriegsgefangene dort, die waren natürlich sehr erfahren in der Mannheimer Umwelt.
In meiner Nähe arbeiteten zwei ältere Deutsche, leider weiß ich den Namen nicht mehr, einer von ihnen konnte etwas Französisch und war ein Nazigegner. Der andere konnte nicht mit uns sprechen. Einmal hat er mir gedeutet ich soll in die Toilette gehen, und er ist auch hin. Da hat er mir einen Apfel gegeben, das hat er dann fast immer gemacht. Und wir haben gesehen, dass die Deutschen auch nicht viel zu essen hatten, wenn sie etwas gegessen haben am Arbeitsplatz.
Es gab da noch einen jungen Deutschen, einen Lehrling wahrscheinlich, der war auch kein Nazi. Der hat nie den Hitlergruß gemacht, während die andern Jungen damit sehr eifrig waren.


Das Kriegsende


Bei dem großen Bombenangriff vom 1. März 1945 ist unser Lager zerstört worden mit allem was darin war. Das war während der Arbeitszeit. Danach haben wir unsere Köchinnen auch nicht mehr gesehen.
An dieses Bombardement erinnere ich mich besonders. Das war tagsüber am Mittag und es war schönes Wetter, heller Sonnenschein, als wir in den Bunker gingen. Als der Angriff vorüber war, war es dunkel wie in der Dämmerung von dem ganzen Rauch der Brände.
Als wir von der Arbeit weggingen durch die Stadt, liefen uns die Tränen herunter wegen des Rauchs. Und da unsere Gesichter fast schwarz waren, haben die Tränen weiße Flecken in unser Gesicht gemacht.


Wir haben dann ein anderes Quartier bekommen. Das war über einem ehemaligen Kino, da war eine Galerie.
Und dort blieben wir bis zur Befreiung, das waren nur noch drei Wochen.