Verschleppung aus Moyenmoutier
Ich bin einer der Deportierten von Moyenmoutier.
Wir befanden uns in den Kellern der Häuser, die Amerikaner waren schon
ganz nahe. Da kamen die Deutschen, Soldaten der Wehrmacht, und haben nach
uns gesucht in den Luftschutzkellern. Das war die Wehrmacht, nicht die SS
oder Gestapo wie in den Nachbarorten.
Und dann wurden wir auf dem Dorfplatz vor dem Rathaus versammelt. Wir sind
zu Fuß aufgebrochen mit Lebensmitteln für zwei Tagen. Die
Deutschen haben uns gesagt, das sei deshalb, weil wir Gräben bauen
und deshalb sollten wir Lebensmittel für zwei Tage mitnehmen.
Es war schlechtes Wetter beim Abmarsch, es regnete zwar nicht, aber dann
unterwegs fiel sein sehr feiner und sehr kalter Regen. Wir kamen nach St.Jean
d’Ormond, dem nächsten Dorf, wo wir in einer alten Weberei übernachteten. Am nächsten
Morgen sind wir sehr früh weitermarschiert und nach Provenchères
gekommen. Als wir dort ankamen, haben die Deutschen Brot verteilt, ein Brotlaib
für mehrere.
Und dann, der Zug stand schon da, sind wir eingestiegen und abgefahren. Der
Zug bestand aus mehreren Wägen, er war praktisch voll besetzt. Ich erinnere
mich, dass wir über Schirmeck fuhren, denn der Zug hielt in Schirmeck
und blieb dort lange stehen. Weil wir etwas vom KZ Struthof (Natzweiler) wussten, haben
wir gedacht, dass wir dafür bestimmt seien, wir haben etwas vermutet
in dieser Richtung. Aber danach sind wir weitergefahren, wir kamen durch
Straßburg, und da wussten wir, dass wir nach Deutschland verschleppt
würden.
Ankunft in Mannheim
Wir sind in Mannheim angekommen und verteilt worden. Da kamen die
deutschen Patrons, die Vertreter der Firmen, die warteten auf uns, ein wenig
wie auf dem Viehmarkt. Das war in der Nähe des Bahnhofs; wir sind da
nicht viel marschiert in Mannheim.
Wir wurden dem Straßenbahndepot
zugewiesen. Ich hatte gesagt, ich sei Dreher, weil ich mich damit ein wenig
auskannte. Also habe ich die ganze Zeit an einer Drehbank gearbeitet.
Das Lager am Schlossgartendamm
Das Lager war am Eisstadion, nahe der Rheinbrücke und nahe am Schloss.
Das waren drei Baracken, die nicht sehr groß waren. In meiner Baracke
waren nur kleine Zimmer drin, wir waren zu viert im Raum. Da standen zwei
Stockwerksbetten. Die drei Baracken waren für die Arbeiter des
Straßenbahndepots. Ich glaube, das war nur für uns Leute aus den
Vogesen. Ich gehörte mit meinen 18 Jahren zu den Jüngsten, aber
es gab auch einen 16jährigen. Wir Jungen waren zu sechst.
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Verpflegung im Lager
Und es gab eine kleine Küche in der Baracke. Drei Frauen bereiteten
da das Abendessen. Diese Küche war zuständig für das Abendessen, mittags
aßen wir im Depot. Die Frauen die für uns gekocht haben, waren
zwei ältere und eine junge, welche die Ehefrau eines SS-Manns war. Von
einer der Frauen erinnere ich mich an den Namen: Frau Vetter. Einmal war
ich krank, da haben sie mich ein wenig gepflegt. Ich erinnere mich, dass
sie Angst vor den schwarzen Amerikanern hatten, die kommen würden.
Die Baracken waren nicht groß, ich schätze, dass in meiner Baracke
8 Zimmerchen waren. Es gab keinen großen Raum. Wir hatten keinen Aufenthaltsraum
oder Essraum. Wir holten unsere Suppe am Abend und wir aßen in unserer
kleinen Stube.
Es gab einen Raum mit Vorräten in den Baracken, aber es war oft nicht genug.
Manchmal haben die Frauen uns fortgeschickt, damit wir in den Kellern Kartoffeln
oder Gemüse organisierten, das haben wir auch gemacht. Die Alten, die
den 1.Weltkrieg mitgemacht hatten, trugen eine Pelerine und einen Rucksack. In diesem Rucksack haben sie die Sachen mitgebracht, die sie organisiert
hatten. Wir haben dann Kartoffeln in kleine Scheiben geschnitten und an den
Ofen geklebt, bis die Stücke durch waren
Was das Frühstück betraf, so erinnere ich mich nicht, ich glaube
da gab es nichts. Auch an den Sonntagen, wo wir nichts arbeiteten. Wir versuchten,
irgendwo ein Stammessen zu bekommen. Wir haben ein wenig Geld bekommen, damit
wir in ein Restaurant gehen konnten. An Sonntagen waren die Frauen jedenfalls
nicht da, die Küche war geschlossen. Sie bereiteten nur die Suppe für
das Abendessen während der Woche.
Das Lager war nicht abgeschlossen oder bewacht, wir konnten in die Stadt
gehen. In der Umgebung des Lagers gab es keine bewohnten Häuser, da
war das zerstörte Schloss, es stand leer. Aber in einem Teil davon befand
sich das Gefängnis.
F: Gab es eine Waschmöglichkeit?
Ja. In den Baracken waren solche ziemlich primitiven großen Waschbecken.
Da war es kalt, in dem Raum gab es keine Heizung. In unseren Stuben standen
kleine runde Öfen. Aber wir bekamen kein Heizungsmaterial, das mussten
wir uns selbst beschaffen. Wir sammelten Holz bei der Rückkehr von der
Arbeit, wir durchsuchten ein wenig die Ruinen und die Umgebung. Und dann
machten wir Feuer abends, wenn wir heimgekommen waren. Ich erinnere
mich an unser Zimmer: ich war mit zwei ehemaligen Soldaten aus dem Ersten
Weltkrieg zusammen. Einer von ihnen arbeitete auch im Depot und hatte die
Möglichkeit, in seinem Rucksack Kohle mitzunehmen. Er hatte den Rucksack
der französischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, und darin nahm
er Koks mit. Mit der Kohle hielt das Feuer viel länger an.
Mir war nicht kalt, weil ich oben im zweiten Stock der Pritschen schlief.
Die Jungen schliefen immer oben.
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Aus der Liste der Vogesen-Zwangsarbeiter bei den Stadtwerken. Jean Chénal
wird als Dreherlehrling bezeichnet und sein älterer Bruder als Schreiner,
die Lagerangabe ist: "Schlossgartendamm".
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Sonntags
F: Was hat man an den Abenden gemacht oder an den Sonntagen?
Wir hatten nichts, keinen Tisch, keine Stühle. Wir hatten die Pritschen,
das war alles. Manchmal haben wir auf dem Fußboden Karten gespielt.
Wir waren nicht bewacht, wir hatten also eine gewisse Freiheit, das war nicht
schlecht. Aber trotzdem war das Leben nicht angenehm. An Sonntagen gingen
wir in Kneipen, in Restaurants, um ein Stammessen zu bekommen. Mit wenigen
Pfennigen sind wir ausgegangen. Das war in die Stadt, dort waren noch einige
Restaurants übrig geblieben. Wir haben nie Probleme mit Deutschen gehabt,
etwa dass sie uns nicht in die Restaurants lassen wollten.
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Arbeit im Straßenbahndepot
Wir sind immer mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren und zurück.
Nur zwei oder dreimal, als sie wegen Bombenzerstörungen nicht fuhr,
gingen wir zu Fuß.
Im Depot habe ich immer die gleiche Arbeit gemacht.
Bei der Arbeit im Depot waren meines Wissens außer den Deutschen
nur Franzosen beteiligt. Es gab auch französische Kriegsgefangene dort, die waren
natürlich sehr erfahren in der Mannheimer Umwelt.
In meiner Nähe arbeiteten zwei ältere Deutsche, leider weiß
ich den Namen nicht mehr, einer von ihnen konnte etwas Französisch und
war ein Nazigegner. Der andere konnte nicht mit uns sprechen. Einmal hat
er mir gedeutet ich soll in die Toilette gehen, und er ist auch hin. Da hat
er mir einen Apfel gegeben, das hat er dann fast immer gemacht. Und wir haben
gesehen, dass die Deutschen auch nicht viel zu essen hatten, wenn sie etwas
gegessen haben am Arbeitsplatz.
Es gab da noch einen jungen Deutschen, einen Lehrling wahrscheinlich, der
war auch kein Nazi. Der hat nie den Hitlergruß gemacht, während
die andern Jungen damit sehr eifrig waren.
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Das Kriegsende
Bei dem großen Bombenangriff vom 1. März 1945 ist unser Lager
zerstört worden mit allem was darin war. Das war während der Arbeitszeit.
Danach haben wir unsere Köchinnen auch nicht mehr gesehen.
An dieses Bombardement erinnere ich mich besonders. Das war tagsüber
am Mittag und es war schönes Wetter, heller Sonnenschein, als wir in
den Bunker gingen. Als der Angriff vorüber war, war es dunkel wie in
der Dämmerung von dem ganzen Rauch der Brände.
Als wir von der Arbeit weggingen durch die Stadt, liefen uns die Tränen
herunter wegen des Rauchs. Und da unsere Gesichter fast schwarz waren, haben
die Tränen weiße Flecken in unser Gesicht gemacht.
Wir haben dann ein anderes Quartier bekommen. Das war über einem ehemaligen
Kino, da war eine Galerie.
Und dort blieben wir bis zur Befreiung, das waren nur noch drei Wochen.
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