Zwangsarbeit im Rhein - Neckar - Raum.  Ein Projekt an der IGMH

     


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HD - Pleikartsförsterhof

 

Robert Fréard


Geboren  1926
Wohnung: Raon l'Etape

Zwangsarbeit bei Grau-Bremse, Pfaffengrund

Lager: Pleikartsförsterhof

 


 

 

 

Robert Fréard in seinem Haus in Raon l'Etape

Ankunft in Heidelberg

Das Besondere war: Wir wurden aufgeteilt in der alten Universität [= Marstall]: Wir kamen zu Grau-Bremse. Wir waren zwischen sieben und neun bei Grau, also ein kleines Kommando, wenn ihr so wollt.

Lager in einem Wohnhaus im Pleikartförsterhof

Ich habe in der Grau Bremsenfabrik im Pfaffengrund gearbeitet und ich wohnte auf dem Pleikartsförsterhof, einem kleinen Weiler da. Wir waren in einem Privathaus untergebracht, welches einer Frau Crone gehörte, ihr Sohn war Arzt, glaube ich. Ich habe diese Haus später wiedergefunden, aber es war sehr verändert.
Aber wir waren sehr wenig bewacht. Wir waren in diesem Privathaus allein, aber wir waren ein wenig abhängig von einem Kommando von Kriegsgefangenen, die sich in einer Kneipe auf dem Pleikartsförsterhof befanden. Da war so ein Gasthaus am dem Dorfplatz da im Weiler. Und der Besitzer des Gasthauses war gleichzeitig ein wenig verantwortlich für das Kommando von Kriegsgefangenen, welche in einer Baracke lebten, die im Hof des Gasthauses stand.

Unterkunft der Zwangsarbeiter von Grau-Bremse im ersten Stock dieses Häuschens. Der Sohn von Frau Crone war Kunstmaler, sein Vater Bibliotheksrat an der Universitätsbibliothek

 

 

In dem kleinen Haus gab es einen kleinen Ofen mit einer Feuerstelle und einen kleinen Gasherd in einer Küche im Erdgeschoss, direkt neben dem Zimmer der guten Dame. Und dort feuerten wir ein wenig an. Damit wir heizen konnten, das sage ich euch, da haben wir alle Pflöcke rausgerissen von den Zäunen entlang der Eisenbahnlinie, die wir fanden. Und dann haben wir die ganze Umzäunung vom Sportplatz in Kirchheim abmontiert. Wir haben für  die Heizung absolut nichts bekommen...
F: Ihre Unterkunft war also geheizt?
Nein, der Ofen heizte in der Küche, nein, wir hatten [im Quartier] überhaupt keine Heizung. Ich legte meinen Mantel auf mein Bett und dann die Kartoffeln in meinen Hut.

 

 

Das Haus war nur zum Teil beschlagnahmt, und diese gute Dame, die schon sehr alt war, lebte in zwei Zimmern im Erdgeschoss. Und wir hatten im Erdgeschoss die Küche, die  nach hinten hinausging und dann waren wir im Obergeschoss in auch nur  zwei Zimmern untergebracht.
Wir waren getrennt, wir waren unter uns. Beim Eingang gab es einige Stufen, links waren die beiden Zimmer der braven Frau, rechts war unsere Küche, und dann stiegen wir die Treppe hinauf.

 

 

 

Arbeit in der Fabrik

Von diesen Gefangenen [aus dem Gasthaus-Lager] arbeiteten viele mit uns in der Fabrik. Sie haben uns den Weg zur Arbeit gezeigt. Man ging zu Fuß, man überquerte die Eisenbahnlinie, dann kam man in den Pfaffengrund. Da gab es ein Wohnviertel, mit einem Wasserbassin sicher für mögliche Brände. Und dann von da überquerte man die Straße nach Heidelberg, um in die Fabrik zu kommen, die gegenüber lag.
Wir fabrizierten Einzelteile für die Eisenbahn, Vorrichtungen für dampfgesteuerte Waggonbremsen, und dann auch andere Bremsvorrichtungen für Luftdruck.
denn wir arbeiteten in Schicht: Eine Woche am Tag und eine Woche in der Nacht, jeden Tag   jeweils zwölf Stunden mit einer kleinen Unterbrechung für die Mahlzeit
Unsere kleine Gruppe war über die ganze Fabrik verteilt. Es gab da viele französische Kriegsgefangene, Leute aus Paris, Leute aus Nordfrankreich, die ein wenig die Kontrolle über die Fabrik mitbestimmten: Das waren Spezialisten, sie schärften die Werkzeuge, weil sie die Spezialisten waren, und es gab praktisch kaum mehr Deutsche
Ich war verantwortlich für diese kleine Gruppe auf dem Pleikartsförsterhof, denn ich habe ein wenig deutsch gesprochen, was ich in der Schule gelernt hatte, deshalb hat man mich zum Sprecher der Gruppe ernannt. Ich war damals 19 Jahre alt.

Was mich überrascht hat: da kamen mit uns zum Arbeiten KZ-Häftlinge, ich weiß nicht, wer sie waren. Aber ich habe sie da in ihren gestreiften Anzügen gesehen. Sie haben nicht mit uns zusammen gegessen. Sie  wurden dazu in eine besondere Ecke gebracht während der Mahlzeit mit ihren Wachleuten. Wir wussten  nichts von ihnen, ob es Franzosen waren wie wir. Das war auf dem Fabrikgelände. Ich weiß nicht, von welchem Lager sie kamen. Einer von ihnen hat mich sogar [auf Französisch] nach einer Karte und  einem Messtischblatt gefragt. Es war ihm gelungen, mich zu fragen, aber ich habe es überhaupt nicht verstanden [worum es ihm ging].
F: War das eine kleine Gruppe?
Das war eine kleine Gruppe politischer Gefangener, ich habe nur mit einem einzigen gesprochen...
Es waren auch Russen da mit uns, das waren Frauen.. Es gab da Arbeiter aus fast überall her..
Aber man hat uns korrekt behandelt. Deshalb habe ich nichts gemacht, was in Richtung Entschädigungsantrag geht. Es war korrekt, wir wurden nicht misshandelt.

 

 

 

 

Verpflegung

Die Verpflegung war sehr unterschiedlich. Denn wir haben einmal am Tag eine Mahlzeit bekommen, das war fünfmal in der Woche, .
Man konnte sich fast satt essen, das Essen war nicht extrem wichtig, wenn ihr so wollt. Ich habe nicht sehr viel Hunger gehabt, nein. Und die anderen Mahlzeiten haben wir selbst gemacht.
Frage: Sie haben Marken bekommen?
Also hört mal, die Deutschen waren ja im Grund  nicht verrückt, die Leute von der Fabrik. Damit wir gearbeitet haben, haben sie uns Essen gegeben. Da wir nur fünf Mahlzeiten in der Woche erhielten, gaben sie  uns Geld, damit wir uns etwas kaufen konnten. Ich bekam also einen Lohn, aber der war natürlich unbedeutend.
Aber mit dem Geld konnten wir mit der Straßenbahn fahren. Wir waren ja frei, ich hatte einen „Ausweis“. Ich bin einmal von Gendarmen angehalten worden, die nach meinem Ausweis gefragt haben, das war alles.

Werkausweis von Robert Fréard


Der Personalchef  hat mir Gruppenmarken gegeben und abends mussten wir Einkäufe machen. Wenn ich um sechs Uhr abends aus der Fabrik kam, dann war es schon ganz dunkel. Das war im November, da wurde abgedunkelt, es gab Luftschutzräume. Und ich  kannte da überhaupt nichts, gar nichts, und konnte die Sprache nur ein wenig.
Aber da habe ich eine französische Dame gefunden von etwa vierzig Jahren, die war die Geliebte eines deutschen Offiziers, die aus Frankreich weggegangen war und mit uns in der Fabrik arbeitete. Eine Woche lange führte sie mich in die ganzen Geschäfte, um die Einkäufe zu machen. Sie machte die Einhäufe, ich nahm die Waren mit und dann teilte ich sie mit den Kameraden am Abend.
Wir konnten auch in Restaurants gehen. Zum Beispiel am Sonntagnachmittag: wir hatten Weißbrotmarken in unserer Ration. Diese Marken für Weißbrot haben wir aufgehoben und an den Sonntagnachmittagen sind wir in die Konditorei gegangen, wir haben ein Dessert gegessen, wir haben einen Kaffee getrunken, sogar ein Eis manchmal, wo man einen Radioempfänger hatte.

 

Kleidung

Also mit den Kleidern, das war schlimm: Ich bin weggegangen mit einem Hemd, einem Pullover, einem alten Mantel und dann mit einem Paar Stiefel [wegen der angeblichen Erdarbeiten] sowie mit Socken. Die Stiefel waren schon durchlöchert während des Fußmarsches nach Hemingen, den wir am Anfang machen mussten. Ich hatte also nasse Füße.
Und dann konnte man sehen, wie die die Socken kaputt gingen. Ich habe die Enden der Ärmel meines Hemdes abgeschnitten, um daraus Socken für meine Füße zu machen. Und dann haben uns die Deutschen Holzschuhe geliefert. Und das, das war schrecklich, denn darin bekam man schmerzende Füße, das war eine Qual, wirklich die Füße im Feuer.
Nach einigen Tagen haben wir blaue Arbeitsanzüge bekommen. Aber dafür mussten wir bezahlen, ich glaube, dass sie 20 Mark gekostet haben. Und wir hatten doch noch kein Geld...
 Also die Kriegsgefangenen in der Fabrik haben uns misstrauisch beäugt. Ich habe mich gefragt, was da los war. Ich bin ihrem Vertrauensmann in der Toilette der Fabrik begegnet. Und da habe ich gesagt: „Was habt ihr gegen uns?“ Er hat mir gesagt: „Hört mal, ihr seid Kollaborateure! Ihr gehorcht den Deutschen!“
Nun hatte ich hatte jedoch im meinem Geldbeutel Flugblätter, die uns die Amerikaner mit Granaten herübergeschossen hatten in Granaten. Sie waren an den Ecken angebrannt. Diese Flugblätter habe ich den Kriegsgefangenen gezeigt und ihm erklärt: „Sie haben uns deportiert [in der letzten Minute]..."
So hatte ich den Beweis geliefert. Am nächsten Morgen gab es die Marken, er hat mir Geld gegeben und ich konnte damit die Arbeitsanzüge kaufen.


Speisekarte der "Kümmelspalterei" vom 20. Januar 45, wo Herr Fréard offensichtlich eingekehrt war. Er hat sie aufgehoben, weil ein französisch sprechender Gast auf der Rückseite notiert hatte, wo man als Kranker Krankengeld bekommen konnte.

Was schlimm für mich war
 

Wir waren Nomaden, von niemand anerkannt, völlig ignoriert von allen, ohne Kontakt zu unseren Familien, ohne zu wissen was bei uns zu Hause los war. Das war schon ein wenig hart. Wir haben überhaupt nichts gewusst.
Allerdings sind einige unserer Kameraden geflohen, ich glaube, es waren vier.


Wenn man etwas von Raon erfahren hat, dann nur ganz indirekt: Als wir von Raon wegkamen, hatten dort französische Milizionäre gewütet [unter der Leitung der Gestapo]. Sie haben mitgewirkt bei der Verhaftung des Bürgermeisters [der dann vor dem Rathaus erschossen wurde].

 

Siehe die Gedenktafel in Raon auf der Eppelheim-Seite.

 

Und diese Milizangehörigen haben wir in einer Kneipe in Kirchheim wiedergefunden, das ist doch verrückt! Wir konnten aber nichts machen, wir haben überhaupt nichts gemacht gegen sie.
Es hatte ja vor unserer Deportation Auseinandersetzungen mit dem Macquis gegeben.

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt zu Deutschen: Baiertal

Um Essen zu bekommen, sind wir an den Sonntagen zu den Bauern gegangen, um Kartoffeln zu bekommen. Wir hatten ein kleines Dorf entdeckt, das Baiertal heißt, das liegt nahe bei Wiesloch. Wir fuhren mit der Straßenbahn  dorthin. Und dort sind wir auf eine Weise empfangen worden, also das war außergewöhnlich: Wir sind sogar vom Bürgermeister des Dorfes begrüßt worden, das ist doch verrückt, oder? Der hat uns einen Milchkaffee angeboten und Weißbrot mit einer kleinen Wurst.
Das war fast jeden Sonntag, wenn wir hingehen konnten. Und wir bekamen Kartoffeln auf den Bauernhöfen. Die französischen Kriegsgefangenen dort haben uns das gegeben.
Über den Geisteszustand der deutschen Bevölkerung kann ich mich nicht beklagen. Außer über einige junge Nazis, die sich aufgeplustert haben, als die Ardennenoffensive begann. Das war im Monat Dezember 1944 während dieser Ardennenoffensive. Da hat sich die Bevölkerung von neuem uns gegenüber ein wenig verächtlich verhalten. Aber das hat nicht lange gedauert.
Wirklich, einmal habe ich dort eine alte Dame getroffen, die mir Fett gegeben hat, die mir Schweineschmalz gegeben hat und dann Tabak. Sie haben dort Tabak angebaut. Und ich habe gefragt, was ich ihr dafür schulde. Und sie hat geantwortet: Gott wird es mir zurückgeben.
Ich habe dort eine Bäckerei entdeckt: Wir bekamen dort doppelt soviel Brot wie wir Brotmarken hatten.

Kriegsende, Befreiung

Die alte Dame, Frau Crone, ist  gerade in dem Augenblick gestorben, als die Amerikaner angekommen sind. Und es gab einige Lumpen unter uns, die dann in ihrer Habe geplündert haben...
 
Als die Amerikaner gekommen sind, haben sie uns fast schlimmer behandelt als die Deutschen.Wir waren froh, sie ankommen zu sehen, wir hatten weiße Fahnen. Sie haben uns aufgeladen mit ihren Waffen.Wir sind mit den Amerikanern zusammen nach Kirchheim hineingefahren.
 Nach der Ankunft der Amerikaner verbrachten wir zwei Wochen in einer deutschen Kaserne. Da hatten wir mehr Hunger als die ganze Zeit vorher. Diese Kaserne war in Heidelberg oder in der Umgebung von Heidelberg und dann wurden wir repatriiert über Mannheim.

 

Robert Fréard, Repatriierungsausweis

 

 

 

André Bayard


Geboren 1926
Wohnhaft in Deneuvre bei Baccarat

F: Wie war die Verschleppung aus Frankreich?
Da war die Front ganz nahe an Baccarat. Die Deutschen dirigierten uns nach Pexonne, wir waren mit der ganzen Familie nach Pexonne evacuiert. Dort haben mich dann meine Schwester und meine Mutter in der Kolonne davonziehen sehen. Die Deutschen befahlen, und wir mussten gehorchen. Man hatte keine andere Wahl, manche dachten zu fliehen, ich nicht. Wir wussten nicht, wohin es ging..

 

 

Die Fabrik, wo ich in Heidelberg arbeitete, hieß „Bremsenfabrik“. Ich arbeitete an Material mit Dreharbeiten, um es Euch genau zu sagen: das war für LKWs, glaube ich. Ich war  eigentlich kein Dreher.
Die Arbeit war nicht im eigentlichen Sinn hart, aber es waren gleichwohl zwölf Stunden am Tag, zwölf Stunden am Tag und zwölf Stunden in der Nacht, das wechselte ab.
Die Behandlung durch die Deutschen, darüber kann ich nichts Schlechtes sagen, das ist alles. Und sonst habe ich meine Arbeit gemacht. Sie haben uns verpflegt, damit wir arbeiteten...
Wir hatten genug zu essen, man schlug sich so durch. Wir bekamen eine Mahlzeit in der Kantine, einmal am Tag, außerdem einen kleinen Imbiss, das sie uns gaben.
Die Kleider -, wir hatten blaue Arbeitsanzüge, die sie uns für die Arbeit gegeben hatten. Und die Schuhe hat man uns repariert. Man verwies uns an einen Schuhmacher und dann hat er die Schuhe repariert.

 

 

 

 

 

 

F: Haben Sie Heidelberg besucht?
Wir waren frei, aber wir hatten nicht viel Zeit, am Sonntag vielleicht, wissen Sie. Wir hatten keine Freizeit, die ging vielmehr für unsere Nahrungsversorgung drauf, für unsere Behausung. Man musste etwas organisieren für die Heizung. Da war nur etwas Kohle, die wir bekommen haben.
Wir haben etwas zu essen gesucht bei den Bauern. Es gab ein Dorf etwas weiter entfernt, wo wir zu Fuß hingingen, und da gaben uns die Bauern Kartoffeln, ein Stück Speck, manchmal bekam man sogar einen Milchkaffee bei ihnen am Tisch. Sie ließen uns nichts dafür bezahlen.


Oh ja es war schon ein Unterschied, wir haben mehr gelitten als in Frankreich..., ich war allein, ohne die Familie, alle waren zerstreut.
Damals war ich 18 Jahre alt, ich hatte schon in einer Fabrik gearbeitet. 

Die Umstände waren nicht einfach, in Frankreich auch nicht, aber in Deutschland habe ich mehr Unglück gehabt.

 

Lager Pleikartsförsterhof