Zwangsarbeit im Rhein - Neckar - Raum. Ein Projekt an der IGMH

 


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Viernheim



 

 

 

André Caspard



aus Saint-Dié, wo er auch heute noch wohnt


Barackenlager Sportplatz
Arbeit bei MWM Mannheim

 

André Caspard bei einem Besuch in Mannheim 2003

 

Viernheim Lager Sportplatz

Das Lager war auf einem ehemaligen Sportplatz eingerichtet. Da standen mehrere Baracken.
Es gab da auch ein Kriegsgefangenenlager, aber wir hatten keinen Kontakt zu ihnen. Sie waren in einem Lager etwa einen Kilometer entfernt in einem Wald. Erst am Ende, wir weggingen, haben wir erfahren, dass das Kriegsgefangene waren. Ich kann auch nicht sagen, ob es Franzosen waren.
Wir sind früh am Morgen weggefahren mit der Straßenbahn und erst am Abend zurückgekehrt...
Die Baracke war ein wenig geheizt, es gab da einen kleinen Ofen, aber das war nicht viel. Das war ein kalter Winter, es gab nicht wenig Schnee.
Es gab im Lager mehrere Baracken mit verschiedenen Nationalitäten, es gab Polen, Russen, auch Franzosen. Aber wir hatten nicht viel Kontakt, wir kamen ja erst am Abend zurück, wir hatten nicht viel Zeit dazu.
Es gab einen Lagerchef, der alles regierte, einen Deutschen, es ging so einigermaßen mit ihm.
Und an Kleidern hatten wir nur das, war wir auf dem Leib trugen, als wir aus Saint-Dié fortkamen. Ich habe nur einmal ein kleines Paar Schuhe gekauft im Frühling, weil meine Stiefel kaputt waren. Im Winter hatte ich die Stiefel an, immer diese Stiefel, die ich mitgenommen hatte.

Arbeit bei MWM Mannheim

Ich habe bei der Wartung gearbeitet, bei der mechanischen Wartung. Das war ja bei den Motorenwerken, die stellten ja große Motoren für U-Boote her, Schiffsmotoren. Als Mechaniker gewissermaßen, zur Wartung der Maschinen.
Es gab viele Ausländer da, Russen, Polen.



Kontakt mit Viernheimern

Wir hatten wenige Kontakt mit den Einheimischen, gegen Ende etwas mehr. Wir sprachen keine Deutsch, da war das nicht leicht Kontakt zu kriegen.
An den Sonntagen hat man nicht gearbeitet. Wir haben uns ausgeruht. Wir gingen ein wenig in die Ortschaft, das war nicht weit. Aber in ein Restaurant, eine Kneipe sind wir nicht gegangen. Wir haben zwar ein wenig Geld bekommen, ein wenig Lohn, aber das mussten wir für die Verpflegung im Lager zahlen. Für das Frühstück, für Sachen, die wir bekamen...
Nur einige Male gingen wir ein Bier trinken in einer Wirtschaft. 
Einige Male sind wir auch zu den Bauern gegangen, um einige Kartoffeln zu erbetteln. Und am Abend haben wir sie gegessen, wir haben sie auf unserem Öfchen gekocht.
Aber wir haben nicht für deutsche Einwohner gearbeitet, um etwas dazuzuverdienen. Es gab schon sympathische Deutsche im Ort, aber es gab auch andere, aber die Einwohner waren nicht böse.

 

Das Kriegsende
Gegen Ende, als die Amerikaner schon in der Nähe waren, haben sie uns in Lastwagen verfrachtet, um uns weiter weg zu fahren.
Wir waren dazu bestimmt, in ein Salzbergwerk zu kommen 

[=  in das von Bad Friedrichshall, das Bergwerk war als unterirdische Produktionsstätte für MWM vorgesehen]. Nach einer gewissen Zeit haben uns die LKWs abgeladen und wir wurden von der Bewachung auf der Straße weitergeführt. 


Dieser Halt war irgendwo im Neckartal. Wo das war, erinnere ich mich nicht mehr. In einem Dorf gerieten wir in einen Luftangriff,- wir sind auseinandergerannt. Die Wachleute haben uns laufen lassen, so waren wir frei.


Wir sind zu Fuß nach Viernheim zurückgekehrt, sind in das Lager zurückgegangen, um unsere Kameraden wiederzufinden.

 

 

 

Paul Gaidon









Diese Erinnerungen von Paul Gaidon sind zum Teil bereits in unserem Buch "Die Männer von Saint-Dié" veröffentlicht worden, ein Teil auch ohne unser Wissen in einer Viernheimer Veröffentlichung.
Da es sich jedoch um außergewöhnliche Erlebnisse handelt, möchten wir sie hier insgesamt präsentieren.

 

 

 

Foto auf dem von MWM ausgestellten Ausweis. 

Das Foto wurde im Winter 1944 in Mannheim gemacht und zeigt ein wenig die Kleidung der Verschleppten.

 

Abtransport aus Saint-Dié

Die Amerikaner waren ganz in der Nähe von St.Dié auf den Bergen, die die Stadt umgeben. Diese Situation dauerte schon seit einem Monat an. 

Und wir waren sehr in Angst, weil die deutschen uns mehrmals zusammengetrieben hatten, die Jungen und die älteren noch arbeitsfähigen Männer, um Arbeiten an Gräben und an Befestigungen zu machen. Also dachten wir wohl, dass die Deutschen nicht sehr leicht abziehen würden, dass sie sich im Gebirge festkrallen würden.  Aber wir hofften doch von Tag zu Tag, dass die Amerikaner kommen könnten und dass das Ende von vier Jahren Krieg dann da wäre.
Am 8. November lebten wir in den Kellern, in Saint-Dié gab es keine Elektrizität mehr, alle waren in den Untergeschossen. Aber es erwischte uns doch noch: Man teilte den Einheimischen durch eine Botschaft, die von Keller zu Keller lief mit, dass die Deutschen den Befehl gegeben hatten, dass alle Männer zwischen 16 und 45 sich am nächsten Tag um 10 Uhr bei der Kaserne einfinden müssten ,- mit Lebensmitteln für zwei Tage. Keine andere Erklärung dazu! Trotzdem eine große Angst überall, weil das nichts Gutes angekündigt hat...


Ich persönlich habe noch versucht mich zu verstecken, denn ich hatte an die Möglichkeit einer neuen Arbeitsverpflichtung [bei uns in der Gegend] gedacht, die jedes Mal schlimmer zu werden drohte [wegen des Wetters]. 

Ich wollte mich im Kino verstecken. Zusammen mit Freunden habe ich mich also im Untergeschoss des Kinos versteckt, und dort wurde ich von eine deutschen Patrouille geschnappt, die das MG auf mich gerichtet hat: Zur Kaserne!

 


Dort an der Kaserne habe ich versucht nach einem Arzt zu fragen, denn es gab da eine ärztliche Kontrolle durch einen deutschen Arzt. Denn ich war damals nicht sehr gesund, aber er hat nur gesagt: "Hopp!" und hat mich zu der Gruppe geschickt, die zum Abmarsch bereitstand.
Wir wussten absolut nicht, was mit uns passieren würde.

Gegen Mittag sind wir zu Fuß Richtung Elsass aufgebrochen. Das war schon eine schlechte Sache, denn damit entfernten wir uns von den amerikanischen Linien. Und am Abend hat man uns dann in eine alte Fabrik gesteckt, ohne Essen, ohne alles. Um Mitternacht hat man uns in einen Zug verladen, der Bahnhof von Saint-Dié war zu dieser Zeit nicht mehr in Funktion. Und da haben wir verstanden, dass es weiter weg ging, wir haben gemerkt, dass wir durch den Tunnel fuhren, der die Passhöhe zum Elsass bedeutete, und wir wollten noch hoffen, dass wir im Elsass eingesetzt würden. 

Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr haben wir gesehen, dass wir den Rhein bei Rastatt überquerten, einige Stunden später waren wir in Mannheim.

F: Haben Sie von der Zerstörung der Stadt gewusst?
Ja, aber erst 10 15 Tage danach haben wir davon in Mannheim erfahren. Zuerst hat man davon reden hören, wie man Gerüchte hört, und dann haben wir es in einer französischen Zeitung gesehen, die in Deutschland gedruckt wurde, und da war behauptet, dass die Amerikaner die Stadt angezündet hätten.Das schien uns eine absolut glaubwürdige Sache zu sein und es entstand eine große Verzweiflung unter uns. Ich war ja erst 17, aber andere hatten noch ihre Frauen und Kinder in Saint-Dié. Für sie war die Situation erheblich schwieriger als für uns [jüngere].

Ankunft in Mannheim und Viernheim:

Viernheim Lager Sportplatz

Mannheim wurde ich durch einen völligen Zufall in die Gruppe der Motorenwerke [ = Mannheimer Motorenwerke oder MWM] verschlagen. Uund noch am Abend unserer Ankunft, am 9.November, wurden wir von Mannheim nach Viernheim transportiert. Und da das nicht vorhergesehen worden war, hat man am ersten Abend vielleicht um 11, 12 Uhr nachts uns in einer Baracke, die schon von Franzosen belegt war, zwischen den Pritschen auf den Boden sitzen lassen. Die Insassen waren offensichtlich nicht sehr erfreut, da Leute als Überbelegung ankommen zu sehen. Sie saßen schon sehr eng aufeinander, hatten wenig Platz. 

Also hat man uns mitten in der Nacht auf da auf den Boden liegen lassen. das war schon besser als draußen.
Aber so war mein erste Kontakt mit einem Lager: 

Die Baracke..., der Gestank... Es war der erste Kontakt mit einem neuen ganz anderen Leben, ein Leben das sich für uns innerhalb von nur 24 Stunden so völlig verändert hatte.


In diesem bereits bestehenden Lager, in diese Baracken sind wir einige Tage geblieben. Unsere Ankunft war für die Motorenwerke also offenbar ganz unerwartet gewesen, - solange, bis die Deutschen organisiert hatten, dass eine Baracke errichtet wurden, um uns darin unterzubringen.  Sie haben neue Baracken gebaut, eine große Baracke mit vier "Zimmern" errichtet. Dort wurden die Männer von St.Dié untergebracht, ungefähr 4 mal 20.

An jeder Baracke gab es einen Wasserhahn außerhalb, und es war ein kalter Winter, es gab also einen Wasserhahn für 20 Männer. Und die Deutschen haben ans uns verteilt: ein Essgerät, also eine kleine Schüssel für das Essen, dann einen Löffel, eine Gabel...

Das Lager Sportplatz war am Rand dieser kleinen Stadt gelegen, nahe am Wald, an der entgegengesetzten Seite zum OEG-Bahnhof (ungefähr 10 bis 15 Minuten entfernt).

Arbeit bei Mannheimer Motorenwerken  in Mannheim- Neckarstadt

Arbeit von 6 Uhr bis 18 Uhr, mit ungefähr einer halben Stunde Mittagspause, wir aßen - an unserem Arbeitsplatz - eine Suppe oder Kartoffeln mit einer Kohlsoße.
Ich habe an verschiedenen Stellen gearbeitet, aber immer an einer Drehbank mit russischen Gefangenen. In der Abteilung, wo ich war, war der Arbeitsrhythmus nicht besonders hart, aber zwölf Stunden, das ist lang, und zwei Stunden unterwegs, das machte vierzehn Stunden und das sechs Tage in der Woche!
Wenn es Luftalarme gab, gingen wir (außer den Russen, die nicht mit durften) in einen unterirdischen Bunker, der nicht sehr weit entfernt war. Dort lebten zahlreiche deutsche Familien, die ihre Häuser verloren hatten. Wenn im Radio die Möglichkeit eines Angriffs auf Mannheim gemeldet wurde, hörte man die Leute beten..
Ich persönlich bin da nie misshandelt worden. Aber man hatte uns vor allem vor den Risiken der Sabotage gewarnt. Das erste deutsche Wort, das ich gelernt hatte war: "Verboten!" und "Sabotasch!": Das hieß, dass man nicht mit einem Mädchen [in der Fabrik] sprechen durfte, dass man den Arbeitsplatz nicht verlassen durfte, dass man nicht den kleinsten Fehler bei der Arbeit machen durfte. Als Gymnasiast hatte ich doch nicht die geringsten Erfahrungen.
Die Fabrik stellte U-Boot-Motoren her. Ich wurde an verschiedene Plätze gestellt, ich bin vor allem neben Russen gestanden. Wir sprachen nur mit Hilfe der technischen Begriffe. Ich war von da an mehr mit Russen zusammen als mit Franzosen.
Der erste Kontakt mit dieser Riesenfabrik: es gab große Hämmer, Maschinen, die einen höllischen Lärm machten. Werkhallen, Leute, Frauen und Männer, die ein wenig wie Roboter waren, eine Welt, die ein wenig unmenschlich und mechanisch war, das hat mich sehr stark überwältigt und aus meinem bisherigen Leben herausgerissen.

Lagerleben im Lager Sportplatz: 

Gymnasialprofessor Hirtz

Wir haben versucht, uns zu organisieren, um Gruppen für jeden Barackenraum auszusuchen. Ich habe mich mit Freunden aus dem Gymnasium zusammengeschlossen, aber wir waren keine zwanzig. Mit uns war ein Geschichts- und Geografieprofessor unserer Schule, den ich unter uns haben wollte, weil ich dachte, er könnte als älterer Mann ein wenig die Autorität sein.
Dann gab es noch völlig unterschiedliche Leute, darunter drei die schon mit der Fremdenlegion im Krieg waren, also harte Burschen. Sie hatten eine größere Erfahrung im Bewältigen schwieriger Lebenssituationen. 

Es war also eine Mischung, eine große soziale Mischung.


Diesen Professor Hirtz hatte ich im Collège von Saint-Dié als Lehrer 1941-1942. Im Lager hatten wir ungefähr zehn Schüler gesammelt  und diesen Professor im gleichen Zimmer, in der Hoffnung, dass er uns einen gewissen "Geist" vermitteln könnte. In Wirklichkeit war er sehr schnell sehr, sehr niedergeschlagen. Er war Elsässer und sprach eure Sprache perfekt. 

Unglücklicher Weise war er von Saint-Dié weggegangen in einer Kleidung, als ob er zum Unterricht gehen wollte, mit zierlichen Stadtschuhen! 

Ich denke, dass der Lebensumbruch für ihn sehr hart gewesen ist. Er traf oft den Pfarrer von Viernheim und lebte dann sehr abseits von den anderen Vogesenleuten..
Ich glaube, dass er uns gegenüber er nicht mehr der Professor war, sondern ein armer Deportierter. 

 

Es ist nicht immer leicht ein Philosoph zu sein... in der Praxis.

 

Lagerführer Beck 


Ich glaube,  dass das Lager zu den Motorenwerken Mannheim gehörte und durch die Firma verwaltet wurde. Es gab da einen Lagerführer, Herr Beck, welcher in einer Baracke mit seiner Frau wohnte und er hatte eine schöne Schar Gänse, die in besserem Gesundheitszustand waren wie wir. Ich glaube, dass er sie zum Teil mit der Suppe fütterte, welche abends vom MWM für uns hergebracht wurde.

Morgens weckte uns dieser Lagerführer, ein autoritärer, aber kein brutaler Mensch, um 4 Uhr 15 mit Faustschlägen an die Türe: "Es ist Zeit zum Aufstehen" - eine schnelle Toilette, eine Tasse von dem "Kaffee", ein Stück Brot und los zur OEG.
Wir kamen gegen 19 Uhr zurück.

 

Einiges über die Lebensverhältnisse 


Fließendes Wasser gab es nur außerhalb: ein Wasserhahn für ein Zimmer, welcher aus der Erde herauskam und welcher funktionierte, wenn es nicht zu kalt war. Das schwache Licht wurde um 10 Uhr abends gelöscht.
Es gab im Lager ein oder zwei Apparate zum Tabakschneiden, sie waren heimlich von den Nachtarbeitern hergestellt worden. Das war ein Rohr, an dessem einen Ende ein gut geschärfter Hebel angebracht war und am anderen Ende eine Schraube, welche die Tabakblätter Millimeter um Millimeter voranschob. Die Besitzer dieser Maschinen liehen sie im Tausch gegen einen Dienst oder gegen Lebensmittel aus.
Das einzige Paar Schuhe, das ich hatte, war löchrig geworden, und der Gedanke, dass ich "Holzschuhe" tragen sollte, schien mir sehr demütigend..., und wenig bequem.
Ich konnte sie reparieren lassen durch einen Schuhmacher im Tausch mit zwei Dosen Sardinen, die ich von St.Dié mitgenommen hatte und die ich für einen Notfall aufgehoben hatte.

Verpflegung

F: Wie war das Essen?
Sehr schlecht, sehr schlecht., es gab gerade eine Suppe, viel Wasser und wenig Kartoffeln, das war nicht viel Mass und nicht viel Nährstoff... Während der ersten Tage hatte man keine Lust so etwas zu essen, weil man traumatisiert war. Aber als die Arbeit begonnen hatte, musste man essen: und das war wirklich sehr wenig. 

Am Morgen gab es nur  einen [Ersatz-]Kaffee, der kaum warm war. Wir bekamen auch einige Lebensmittelmarken, wovon die meisten uns von der Fabrik wieder abgenommen wurden [für Mittag und Abend], und uns blieben nur einige wenige Marken, für Brot vor allem. Das Brot wurde nicht ausgeteilt, wir haben es uns selber gekauft. Man hatte 80g, 100g am Tag, und man hatte immer Hunger. 

Abends wenn wir nach Viernheim zurückgekehrt waren, wurde die gleiche Suppe vom MWM ins Lager gebracht, das gleiche Zeug wie mittags, aber gegessen in der Baracke. Das war in großen Kanistern, die normalerweise hätten aufgewärmt werden müssen, aber sie waren nicht warm. 


Kontakte mit Viernheimern


Viernheim war eine kleine ruhige Stadt, - ich bin nie dorthin zurückgekehrt -, mit einigen Läden, Bäckereien usw., seine Kirche stand im Zentrum und zahlreiche Bauernhöfe mit Tabakscheuern standen entlang der Straßen.
Ich erinnere mich an das Gasthaus "Zum Löwen", "Zum goldenen Lamm", wohin wir manchmal am Sonntag gingen, wenn uns einige Lebensmittelmarken übrig geblieben waren.
Wir gingen auch in ein Café oder Kolonialwarengeschäft, um ein Bier zu trinken. Das wurde von einem älteren Ehepaar geführt. Sie hießen Herr und Frau Adler, rechtschaffene Leute, mit denen diejenigen unter uns, die deutsch sprachen, plauderten. Sie hatten ein oder mehrere Kinder im Krieg verloren, sie sagten uns mit Aufrichtigkeit; "Ein ehrenhaftes Volk kann nur einen ehrenhaften Krieg führen." 

Ich respektierte diesen Gedanken, indem ich über die Manipulation eines Volkes meditierte, das einer Partei gehorsam war, welche es ins Verderben führte.

Weihnachten

Ich erinnere mich an einen Brauch, welchen wir in Frankreich nicht kannten: Die Leute trugen ihre Kuchen zum Backen zu den Bäckern, und an Weihnachten sah man auf der Straße zahlreiche Personen, mit großen Hefezöpfen auf Blechen, das machte uns Appetit.
 An Weihnachten war ich in der vollen Kirche bei der Messe, ich war sehr bewegt das "Stille Nacht" zu hören, welches damals noch nicht in Frankreich bekannt war. Es wurde mit Inbrunst von mehreren hundert Personen gesungen, ohne Zweifel mit unterschiedlichen Gedanken. Manche erhofften noch den Sieg (Das war damals in der Zeit des Gegenangriffs von Rundstedt.) Aber ich denke, dass die große Mehrheit sich keine Illusionen über das Ende des Krieges mehr machte.
Aber als wir in Lager zurückgekehrt sind, habe ich die Köpfe der Gänse und Hühner an der Eingangstürhängen aufgehängt  gesehen...
Ich denke, dass Herr Beck noch auf den Sieg hoffte, denn wir haben nichts von dem Geflügel abbekommen.

 



Meine Krankengeschichte und das Viernheimer Krankenhaus



Nach Weihnachten wurde ich wegen einer Beinwunde für zwei Tage ins Mannheimer Krankenhaus da am Neckar eingeliefert. Und dann wurde ich wieder weggeschickt nach einem sehr großen Bombardement. Ich erinnere mich an eine die Szene im Keller, während der Angriff lief. Ich war zusammen mit Russen, russischen Frauen, die jammerten und beteten. Sie hatten mich untergehakt, weil ich nicht gut laufen konnte.
Ich hatte beim Alarm in der Eile nicht einmal die Schuhe anziehen können. Ich hatte sie in der Hand, denn mit war bewusst, dass die Schuhe das wichtigste Kleidungsstück waren, die durfte ich nicht verlieren.
Nach dem Luftangriff auf das Mannheimer Krankenhaus war in einem Hauptgebäude ein großes Loch, eine große Lücke, da war etwas zusammengefallen. Das habe ich gesehen, daran erinnere ich mich.

 

Ich wurde nun weggeschickt, obwohl ich noch nicht gesund war.  Ich hätte meine Arbeit wieder aufnehmen müssen. Krank, aber arbeitsfähig, bin ich nicht zu MWM zurückgekehrt. Ich blieb in der Baracke in Viernheim. Ich wagte dann später, als ich mich gesund fühlte, nicht mehr zurückzukehren, weil ich Angst davor hatte bestraft zu werden. 

 

So war ich in einer sehr angsterregenden Situation: keinerlei Nachrichten vom MWM, keine Reaktion vom Lagerführer...

Ich wartete, beunruhigt, Die Zeit im Lager, wo ich nicht arbeitete, könnten eineinhalb bis zwei Monate gewesen sein. Manchmal brachte mir ein Kamerad aus der Fabrik meine Lebensmittelmarken und meinen Lohn (ein sehr geringer!).
Ich verstehe heute noch nicht, da ich die Wirksamkeit der Kontrollen kenne, wie das geschehen konnte. Zum Glück für mich!
Eines Tages gab es im Lager eine Durchsuchung. Die Polizisten haben in einer Tasche einen Brief von Freunden gefunden, den ich aus St.Dié mitgenommen hatte. Einer nach dem anderen haben ihn untersucht, sie haben mir eine Menge von Fragen gestellt..., aber sie haben mich nicht danach gefragt, warum ich nicht arbeite. In den Zimmern wurde alles umgeworfen, wobei sie Tabak gefunden haben und diese "Maschinen", um ihn klein zu schneiden,  Kartoffeln, die bei den Bauern gekauft worden waren. Sie haben alles unter vielen Drohungen mitgenommen: "Sabotage! Arbeitlager!"

Ich habe nach diesem Zwischenfall gedacht, daß meine Glückssträhne  nicht immer andauern könnte... Ich hatte von einem deutschen Arzt sprechen hören, der von französischer Abstammung war, ein Hugenotte. Dieser Dr.Durand, hat manchmal den Franzosen geholfen. Ich bin zu ihm hingegangen, er wohnte nahe am Mannheimer Wasserturm. [...].
Ich habe ihm meine Geschichte erklärt. Er hat mir einen Brief für den Doktor des St.Josefs-Krankenhaus von Viernheim gegeben, wo ich dann mit sehr viel Freundlichkeit aufgenommen wurde.
Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen des Arztes dort: etwa 65 Jahre alt, mit strenger Miene, aber sehr rechtschaffen.

Inzwischen ist geklärt, dass es sich um den Viernheimer Arzt Dr. Günther handelte, der 1953 gestorben ist.

Die Schwestern waren sehr nett, ich war "der Junge". Ich half so gut ich konnte bei kleinen Arbeiten, denn ich war dazu tauglich, trotz einem sehr großen Furunkel. Die Ernährung war in Ordnung, es gab überhaupt keinen Unterschied zu den Deutschen. Wir waren drei Franzosen und ein Russe! (Dieser Arzt und die Schwestern machten das, indem sie Risiken trotz ihrer Vorschriften auf sich nahmen.) Ich bin ihnen unendlich dankbar und bedaure, dass ich nicht in den Jahren 1947-50 versucht habe, ihnen meine Dankbarkeit zu bezeugen.

Einige Tage vor der Befreiung gab es amerikanische Raketen auf die Stadt, die Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht. Ich half dabei, sie auf den Bahren zu transportieren und sie in die Keller hinunter zu bringen. Das Krankenhaus war voll. Ich erinnere mich an ein junges Mädchen von 17, 18 Jahren, Flakhelferin, die verletzt war.
Am 27.3. sind wir befreit worden, aber ich bin bis zum 11.4. im Krankenhaus geblieben. Auf diesen Tag datiert mein Entlassungspapier. Ich erinnere mich sehr gut an den Einmarsch der Amerikaner in Viernheim, es gab da eine weiße Fahne vor allen Häusern. Die kleinen Kinder schauten erschreckt ihre Mütter an und sagten "Negger!" , wenn sie Schwarze sahen.

Bei der Rückkehr habe ich meine Familie in St.Dié wiedergefunden. Aber ich hatte kein Haus mehr, alles war verbrannt. Ich hatte keine Spur mehr aus meiner Vergangenheit