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Pierre Voisard
Einwohner von Saint-Dié
Zwangsarbeit bei Lanz
Lager in der Diesterwegschule bis Februar
1945,
dann Lager Schule in Friedrichsfeld
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Pierre Voisard während eines Besuchs in Mannheim 2003
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Verschleppung aus Saint-Dié
Mein Vater war ein Beamter in der
Gendarmerieverwaltung. Als am 8.November 1944 dazu aufgerufen wurde, dass
wir uns bei der Kaserne versammeln sollten, hatten wir (mein Bruder und
ich) beschlossen, uns im Gendarmeriegebäude zu verstecken. Aber
eine Frau da, die keine Söhne und keine jüngeren Männer in der Familie
hatte, sagte zu uns: „Wenn ihr euch in der Gendarmerie versteckt, werde
ich euch denunzieren.!“ Da mein Vater über 45 Jahre alt war, musste er
nicht zum Treffpunkt gehen. Aber ich hatte einen Bruder, der zwei Jahre
älter war, also sind wir zu zweit fortgegangen. Wir sind also zur Kaserne
mit der Erwartung, dass wir Gräben bauen würden und dann kamen wir in den
Zug und fanden uns in Mannheim wieder.
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Zuerst sind wir nach
Provenchères gegangen. Dort, am Abend des 8.Novembers, sind wir erst in
eine stillgelegten Weberei geblieben, wo wir mit einer Tasse Tee bis 11
Uhr nachts gewartet haben. Dann sind wir in einen Zug gestiegen, in
Waggons, und haben wieder in Mützig im Elsass gehalten. Wir haben den Tag in Mützig
in einer Kaserne verbracht und wir sind abends oder in der Nacht wieder
in den Zug gestiegen, um am nächsten Morgen gegen acht oder neun Uhr in
Mannheim anzukommen. Wir haben verstanden, worum es ging, als wir die
Grenze, den Rhein, überquerten, da war es klar. Nachdem, was wir gehört
haben, hat der Bürgermeister von Mannheim Arbeitskräfte gebraucht
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Ankunft in Mannheim
Wir sind in einer Turnhalle empfangen worden, sicher von einer Abteilung
des Roten Kreuzes. Sie haben uns eine gute Suppe gereicht, die sehr
angenehm zu essen war. Das war die letzte gute Verpflegung, die wir zu
Gesicht bekommen haben. Das war nicht weit vom Bahnhof entfernt. Es hieß
„ -... .Gymnasium“; den Namen weiß ich nicht mehr.
Danach kamen die Leute, die Industriellen und Handwerker, um uns zu
holen. Das war auf einem Hof hinter dem Gebäude, da haben sie die
Verteilung der Angekommenen bewerkstelligt. Da ich damals Student war, - also ich sagte, dass ich Student sei und dass ich nichts
könne – so habe ich mich danach bei Lanz und in der Diesterwegschule
befunden.
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Diesterwegschule heute
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Lager
Diesterwegschule
Dort hatte ich einen großen Vorteil: ich war im Zimmer 10. Das Zimmer 10
hat die große Besonderheit besessen, dass die 26 oder 27 Stubenmitglieder
sich alle Jahre am 8.November, zur Erinnerung an den Tag der Abfahrt aus
Saint-Dié, getroffen haben. Erst seit zwei Jahren machen wir das nicht
mehr, weil es nur noch vier Überlebende gibt: Drei davon sind in
Saint-Dié, einer in Paris: Paul Rielle. Ja noch einer, also fünf sind
wir, das ist derjenige, der sich zusammen mit seinem Bruder vor allem um
diese Gemeinschaft kümmerte: Jean Marande. Aber sein Gesundheitszustand
erlaubt es ihm nicht mehr in die Vogesen zu kommen, er wohnt, -glaube ich
– in Sanary.
Im Zimmer 10 haben sich vor allem zwei Personen um das soziale
Zusammenleben und um die Gemeinschaft bemüht, um eine Klima der
Freundschaft zu schaffen. Emile Marande war damals der Verantwortliche
für ein großes Haushaltswarengeschäft en gros und en detail. Er war
zusammen mit seinem Bruder Jean. Und dann gab es im Zimmer 10 noch den
Chef eines großen Schreinerei. Dann gab es noch den Chef einer kleinen
Eisenbahn-Nebenlinie, die ein Vogesental hinaufführte.
Das waren die, die das ein bisschen managten während der Mannheimer Zeit.
Ich erinnere mich, dass wir kleine Feste gemacht haben, wir haben
Weihnachten gefeiert, wir haben Neujahr gefeiert. Nach meiner Meinung war
dieses Zimmer 10 der einzige Raum mit einem freundschaftlichen Klima, wo
alles Jungen und alle weniger Jungen sich zusammennahmen, damit das gemeinsame
Leben so angenehm wie möglich war.
Ein Kollege meines Alters aus Saint-Dié ist in Eurem Buch erwähnt. Das
ist der junge Mann, der sich bei Lanz den Finger abgeschnitten hat. Ich
war noch näher bei ihm, als derjenige, der es im Buch berichtet. Ich habe
ihn angezogen und ich hatte die Erlaubnis ihn ins Krankenhaus von
Mannheim zu bringen, das war auf dem anderen Neckarufer, längs der
Neckars.
Eine andere Person hieß René Colnat. Wir waren 25 im Zimmer. Es lag im
zweiten Stock. Da standen hölzerne Pritschen, zweistöckig. Sie waren in
einem ehemaligen Klassenzimmer aufgestellt.
Und es gab in der Mitte Tische mit Stühlen und Bänken. Da war nicht Platz
für alle 25. Wer keinen Platz am Tisch fand, setzte sich auf die unteren
Pritschen.
Eingang Diesterwegwschule
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Arbeit bei Lanz
Wir waren Deportierte, wir mussten jeden Morgen und jeden Abend beim
Appell dabei sein. Während der Woche waren wir mit der Arbeit ausfüllt: 12
Stunden am Tag von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Aber samstags
arbeiteten wir wohl nur bis Mittag, der Rest des Samstags und der Sonntag
waren frei. Wir konnten in die Stadt gehen, wir aßen „Stammessen“ für
eine Mark. Denn die Verpflegung bei Lanz und in der Diesterwegschule
waren für einen Achtzehnjährigen sehr begrenzt. Ich hatte einen Vorteil,
weil da ein Mann in meiner Nähe war, ein Deutscher, welcher nicht seine
ganze Suppe aufaß. Er hatte Sonderrationen, ein Essen, das sich schon ein
wenig von dem unterschied, was man an uns austeilte. Er hat mich zur Seit
genommen und von Zeit zu Zeit gab er mit den Rest in seinem Essgeschirr.
Er hat uns ein wenig überwacht, war ein Spezialist in den Arbeiten, die
wir machten.
Bei Lanz machten wir eine Art von Granaten,
gegossene Granaten. Es gab Drehbänke und ich arbeitete an einer Drehbank.
Das waren automatische Drehbänke: man setzte sie in Gang und die Maschine
stoppte automatisch. Man machte immer die gleiche Sache. In dem Bereich,
wo ich arbeitete, bearbeitete man Granaten, die wahrscheinlich in der
Gießerei des Betriebs gegossen worden waren.
Da waren fünf oder sechs Leute
aus Saint-Dié, dann waren da russische Frauen, da waren Tschechen und es
gab Deutsche in einem höheren Alter, die die Maschinen regelten. Und wenn
etwas nicht funktionierte, brachtensie die Maschinen wieder zum
Funktionieren und sie überwachten uns ein wenig.
Ich erinnere mich nicht, einen Lohn erhalten zu
haben. Aber da wir zum fortgegangen sind um ein „Stamm“ zu essen müssen
wir Kleingeld gehabt haben.
F: Haben Sie Kleidung bekommen?
Oh nein, nein! Wir hatten immer noch die Kleider, die wir bei der Abfahrt
getragen haben. Ich erinnere mich gut, dass wir unsere Wäsche gewaschen
haben. Wir kannten die weißen Flöhe, wir kannten das Ungeziefer.
In Mannheim hatten wir die Möglichkeit, uns zu
duschen, warme Duschen jeden Freitag, ich glaube eher jeden Samstagmorgen.
Das waren keine Duschen in der Schule, sondern in der Fabrik.
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Arbeit bei der
Organisation Todt -Lager Friedrichsfeld
Wir haben bei Lanz vom November an gearbeitet, dann
ist mein Bruder zur Organisation Todt übergewechselt. Er hat Lanz und die
Diesterwegschule verlassen und sich in einem Quartier in Friedrichsfeld
befunden. Er hat gewünscht, dass ich auch dorthin komme. Also gut, ich
konnte das, die Organisation Todt hat das akzeptiert und ich bin auch
nach Friedrichsfeld gegangen.
In Friedrichsfeld waren wir auch in einer Schule
untergebracht. Wir fuhren jeden Morgen mit dem Zug nach Mannheim. Mittags
erhielten wir eine Mahlzeit und dann abends nahmen wir wieder den Zug.
Der Vorteil war, dass wir in der Fabrik die gleiche Verpflegung bekamen wie
die Deutschen. Als OT-Arbeiter bekamen wir das gleiche Essen wie die
Deutschen und das war viel besser als die Steckrüben- oder
Kohlrübensuppe, die wir zuvor bekommen hatten.
F: Gab es in der Schule von Friedrichsfeld eine Küche?
Ja, wir wurden gut verpflegt. Wir haben abends gegessen, das war gut, gut
zubereitet. Da waren Deutsche, die mit uns zusammen gegessen haben. Ich
erinnere mich sogar, dass da ein Arzt war. Ich weiß noch, dass ich mir
ein Hautgeschwür zugezogen habe. Aber durch einen Arzt bin ich gut
versorgt worden. Ja, die Organisation Todt war gut organisiert. Man
merkte dass es eher darum ging einen Dienst zu leisten und zu arbeiten
als darum zur Arbeit gezwungen zu werden. Das Klima war nicht: „Arbeit,
Arbeit, Arbeit!“ Wir mussten arbeiten, ja, aber man ließ uns in Ruhe. Ein
Deutscher von der Organisation leitete die Arbeit, aber das verlief auf
gute Weise.
Auch in der Fabrik war das Klima nicht schlecht,
aber es war eben der Umstand, dass es nichts zu essen gab: Nur diese
knappen Mahlzeiten: Suppe und Pellkartoffeln und eine Art Soße.
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Schule in
Friedrichsfeld:
Lager der Organisation Todt
Arbeit bei der Organisation Todt
Aber die Arbeit war härter... Die Bombenangriffe vom Februar, vor allem
die vom 1.Februar, nachmittags und abends hatten die Lanz-Fabrik
beträchtlich beschädigt. Wir reparierten die Gebäude, wir machten Ausbesserungen.
Dabei arbeiteten wir wahrscheinlich härter. Denn während der Zeit bei
Lanz hatte ich immer das gleiche gemacht.
Trotzdem haben wir weiter auf dem Gelände der Lanz-Fabrik gearbeitet.
Eine Tages, so erinnere ich mich, mussten wir eine ziemlich große
Bodenplatte aus Beton gießen. Sicher gab es Maschinen im Untergeschoss
und so haben wir eine Art Schutzdecke auf ein Gebäude gemacht das
ziemlich lang und breit war. Wir haben 36 Stunden durchgearbeitet. Das
war nun wirklich Handarbeit. Auf Befehl beluden wir die Betonmaschinen
mit Sand und danach schickte die Betonmaschine den Beton mittels einer
Vorrichtung direkt an den Bestimmungsort.
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Die Befreiung
Wir waren in Friedrichsfeld, es gab Ende März keine Verbindung
mehr nach Mannheim. Am Abend waren wir in der Schule, da haben sie uns
gesagt, wir sollen unsere Sachen zusammenpacken und uns aufmachen ins
Innere Deutschlands. Mit meinem Bruder und zwei anderen Kameraden, jungen
Leuten aus Saint-Dié, zusammen haben wir ihrem Befehl nicht befolgt
sondern haben uns in der freien Natur versteckt. Wir haben uns in einer
Art hölzernem Unterstand versteckt, wo wir zwei oder drei Nächte
verbracht haben. Das war entlang der Eisenbahnlinie, das war für die
Bahnarbeiter, wenn schlechtes Wetter war, damit sie sich unterstellen
konnten.
Wir haben ungefähr zwei Tage gewartet. Wenn
Bombenangriffe waren, haben wir uns unter eine Eisenbahnbrücke
geflüchtet.
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Wir haben uns sogar in ein Abenteuer gestürzt, weil wir keine Verpflegung
mehr hatten... Es gab da Leute, die dabei waren, Nahrungsmittel zu
plündern auf dem Rangierbahnhof, da gab es sogar Tote. Aber wir haben
nicht viel geholt. Ich habe keine Toten gesehen, man hat davon erzählt,
wir sind da nicht lange geblieben und schnell zurückgekehrt.
In der Zeit haben wir keinerlei Probleme mit den Deutschen gehabt,
niemand ist gekommen nach uns zu sehen oder uns festzunehmen. Danach am
Karfreitag sind wir befreit worden und wir konnten in einen Schutzraum
gehen, einen unterirdischen Schutzraum mit Deutschen zusammen, solange
bis die Amerikaner Friedrichsfeld besetzt hatten.
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Paul Gérard
aus Hurbache bei Saint-Dié
Beruf: Landwirt
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Paul Gérard
bei einem Besuch in Mannheim 2003
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Tafel im Dörfchen Hurbache bei Saint-Dié
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Deportation
Die Deutschen haben mich aus meinem Heimatdorf deportiert, das liegt bei
Saint-Dié und heißt Hurbache. In meiner Gruppe war auch André Villaume.
Sie haben alle Männer des Dorfes zwischen 16 und 45 verschleppt. Ich war
16, ich war der jüngste Deportierte meines Dorfes. Es war hart für mich,
meine Familie verlassen zu müssen unter der deutschen Polizei, die uns
wegführte.
Das Dorf wurde dann geplündert, das Vieh wurde teilweise weggetrieben.
Dann wurde ein großer Teil der Bauernhöfe niedergebrannt. Meine Familie
wurde erst nach Etival evakuiert bis zur Befreiung.
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Lager Diesterwegschule
- Arbeit bei Lanz
In Mannheim habe ich die meiste Zeit bei Lanz gearbeitet und mein Lager
war die Diesterwegschule. Ich war in einem Klassenzimmer im zweiten
Stock, wie ich denke, ich glaube Zimmer Nr. 14. Wir waren etwa 40 in
diesem Zimmer voller zweistöckiger Pritschen. Mit mir zusammen waren noch
zwei aus meinem Dorf, die anderen waren aus Saint-Dié, aus Moyenmoutier
und der ganzen Gegend hier.
Bei Lanz habe ich Maurerarbeiten gemacht. Das war nicht mein Beruf. Ich
war 16 und hatte in der Landwirtschaft gearbeitet. Bei Lanz war ich auch
einer der jüngsten. Ich habe da immer im Freien gearbeitet. Wir haben
Reparaturen gemacht, wir reparierten die Schäden nach Bombenangriffen.
Wir hatten zwei Elsässer, die die Vorarbeiter waren. Natürlich war es
kalt. Aber schlimmer war, dass wir nichts zu essen hatten.
Ich hatte einmal Kartoffeln gestohlen und wurde dann wegen dem Diebstahl
geschlagen. Wir haben die Kartoffeln aus einem Waggon gestohlen, der da
abgestellt war.
Aber glücklicherweise war ich nicht krank geworden, niemals. Nein, das
schlimmste war der Hunger. Und dann haben wir schreckliche Bombenangriffe
erlitten, am 1. März und am 1.Februar. Der 1. März, das war während des
Tages, aber danach war es dunkel wegen des Rauches der Brände.
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Kriegsschäden
an der Diesterwegschule
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Diesterwegschule, Straßenfront
F: Was hat man an den Sonntagen gemacht?
Wir sind in der Schule geblieben, wir haben nicht viel gemacht, manchmal
haben wir geschlafen. Sehr selten haben wir Karten gespielt. Und manchmal
sind wir weggegangen, um „Stamms“ zu essen, wissen Sie. Denn wir bekamen
wenig zu essen. Wir gingen in Gruppen zu dritt oder zu viert. Wir haben
nicht viel Lohn bekommen in der Fabrik, aber für die Stammessen reichte
das.
Zu Weihnachten haben wir Hefezopf bekommen, ein Stück Kuchen als Zulage.
F: Haben Sie Kleidung bekommen?
Ich hab einmal eine Hose bekommen, eine Arbeitshose. Nach Weihnachten,
vielleicht im Februar habe ich nicht gearbeitet. Ich bin vor eine
Kommission gekommen, weil meine Schuhe ausgetreten und kaputt und nicht
zu reparieren waren. Also blieb ich in der Schule so, wie ich war. Sie
hatten keine Schuhe, die sie uns geben konnten. Das ging einen Monat
lang, im Februar oder März. Ich bin im Klassenzimmer geblieben, habe
trotzdem Verpflegung bekommen, ja, ungefähr das gleiche wie während der
Arbeit.
Am Morgen gab es einen „Kaffee“, ein warmes Getränk ohne Zucker.
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Ende der Mannheimer Zeit
Einen Monat vor der Befreiung wurde ich verlegt und ich habe von da auf
Bahngeleisen gearbeitet. Wir haben nachts gearbeitet, wegen der
Bombenangriffe tagsüber. Also haben wir nachts Reparaturarbeiten gemacht.
Ich kann Euch den Namen der Stadt oder des Dorfes nicht nennen, wo wir
uns befanden.
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Wir wurden von der Ersten Französischen Armee befreit, die haben uns auf
LKW nach Straßburg befördert.
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