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Neckargemünd |
René Absalon
Geboren 1926
Wohnung 1944: in La Trouche bei Raon
Zwangsarbeit in der Fassfabrik
Neckargemünd
Lager unter dem Dach eines Fabrikgebäudes |
René
Absalon im Frühjahr 2005
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Vor der Deportation
Ich wohnte in La Trouche (einem Weiler bei Raon l'Etape in einem
Seitental). In dieser Zeit arbeitete ich schon in einem Sägewerk.
Ich war bereits seit einem halben Jahr im Widerstand aktiv. Und als
im Oktober 1944 die Organisation Todt uns holen kam, um
Panzergräben zu bauen, da habe ich nur drei, vier Tage lang
gearbeitet. Dann habe ich mich in den Wald geflüchtet und habe
mich versteckt. |
Abtransport
nach Heidelberg
Aber während der Razzia war ich zu Hause, leider... Bei dieser
großen Razzia vom 8.November 1944 führt man uns zuerst nach
Celles, und dann marschierten wir zusammen nach Badonviller, dann nach
Cirey und Heming.
In Heidelberg fand eine Selektion statt. Als Sägereiarbeiter hat
man mich dabei für eine Fassfabrik in Neckargemünd
ausgesucht. |
Arbeit in der Fassfabrik
Das war gleich am Neckar, nicht weit davon war die Brücke der
Eisenbahn nach Neckarsteinach. Das war ganz nahe an der Fabrik. Nach
dem Krieg habe ich einmal Heidelberg und Neckargemünd besucht,
aber ich habe die Fabrik nicht mehr gefunden.
Zuerst habe ich in dem Gebäude gearbeitet, in einer Halle, aber
dann habe ich im Freien arbeiten müssen. Wir haben es sehr kalt
gehabt, und es hat sehr viel Schnee gegeben. Das war hart, sehr hart
für mich.
Wir arbeiteten mit Russen zusammen, die uns halfen. Ich hatte schon in
der Resistance Kontakte mit Russen gehabt, ich konnte also einige
Worte Russisch.
Wir arbeiteten nicht so schnell wie heute... Das war dort schon relativ
modern für die Zeit, denn ich habe die ersten Entrindungsmaschinen
gesehen, elektrische Maschinen.
F: Und Sie haben mit diesen Maschinen gearbeitet?
Ja, wir schnitten die Bäume in Stücke und dann machten wir
Fassdauben daraus. Man musste sie in der Länge schneiden, um sie
anpassen zu können.
F: Und das war im Freien?
Nein, drinnen machten wir die Fassdauben, und
dann wurden sie woanders hingebracht. Da war ein anderer Anbau, wo sie
die Fässer machten, eine Baracke war das. Ich war nie dabei, wie
sie die Fässer herstellten, ich war nie in dieser Baracke.
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Standort der ehemaligen Fassfabrik zwischen Neckargemünd und
Dilsberg (Blick Richtung Neckargemünd)
F: Wofür waren die Fässer?
Zur Verpackung, das waren keine Fässer für Flüssigkeiten,
das war für Pulver, für Sauerkraut... Für so eine
Verpackung taugten sie.
Wir hatten einen deutschen Vorgesetzten, der
ziemlich hart war, sehr hart, vielleicht ein ehemaliger Soldat. Der
kannte nur die Arbeit, und er hatte unsere Lebensmittelmarken.
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Quartier: Lager auf dem Dachboden der Fabrik
Das waren Stockwerksbetten in einem Dachboden über der Fabrik. Wir
schliefen da direkt unter den Dachziegeln, das war manchmal furchtbar
kalt, keine Heizung.
Das Quartier war unter dem Dach, ohne Isolation, es gab keine Heizung.
Wenn man morgens aufstand waren die Ziegel ganz weiß vor Reif.
Das waren die nackten Dachziegel. Es gab kein WC, man musste
hinuntergehen. Wir hatten Decken, aber es war immer kalt. Und es war
ein kalter Winter damals.
F: War der Neckar gefroren?
Nein, die Strömung war zu stark, es war
zu viel Strömung.
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In der Fabrik gab es einen Heizkessel, wo man sich ein wenig
aufwärmen konnte. Und es gab kaltes Wasser, wir haben uns
währen des Tages gewaschen. Nein, das war traurig.
Es gab da auch Holländer, die mit uns waren, andere
Ausländer, Ukrainer... Es waren etwa zwanzig Ausländer, die
in dieser Fabrik arbeiteten.
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Ernährung
Für das Essen gab es eine Art Speiseraum in der Nähe der
Fabrikküche. Dort konnten wir uns während er Mahlzeiten
aufhalten. Aber die Verpflegung war sehr mager: Einige Kartoffeln und
eine Salzgurke, eine Gurke aus einer Konservendose, das war das
Normale. Oder wir haben immer Rüben gegessen, ohne Fett gekocht,
ohne irgend etwas. Und das Brot, das man bekommen hatte, das hatte man
bis Mittwoch schon aufgegessen. Jede Woche erhielt man ein Schwarzbrot
und am Sonntag eine Scheibe Weißbrot. Der Chef sagte: "Nix Arbeit,
nix essen!“ Das war ein harter Mann, das ist wahr. Er hat uns keine
Lebensmittelmarken gegeben, er hat alles genommen für die
Verpflegung in der Fabrik. Mit dem wenigen Geld, das wir vom Patron
erhalten haben, konnten wir nichts kaufen. Das einzige, was
möglich war, man konnte „Stamm“ essen, „Stammgericht“ in den
Restaurants von Neckargemünd und manchmal auch von Heidelberg.
Aber das war keine richtige Mahlzeit, das war Kohl vor allem Rotkohl.
Das war auch ohne Fett. |
F: Sonntags war die Kantine geschlossen, da hatte sie nur Kaltes zu
essen?
Ja, wir gingen manchmal zu dritt in ein Restaurant, wo man hineinkam,
um ein „Stamm“ zu essen. Damals war das eine Rübensuppe ohne Fett,
aber es war wenigstens warm. Aber wohlgemerkt, das war nicht oft!
F: Und dafür hatten Sie Geld?
Wir haben einige Markstücke gehabt, nicht viel unter uns
Zwangsarbeitern, man hat nie viel gehabt. Es gab sicher einige
Schlauköpfe, die es geschafft haben, bei den Bauern Tabak zu
besorgen. Es gab manchmal alte Frauen, die ein Stück Holz wollten,
dann sollte man es ihnen heimtragen. Aber das war verboten. Die
Holländer haben damit trotzdem einige Brotmarken ergattert.Es gab
Leute aus unserem Transport, die hatten Glück gehabt, die waren in
Bauernhöfen gelandet. Sie hatten zu essen, aber wir, wir wurden
schlecht ernährt. |
Kleidung
Wir hatten nur die Kleidung, die wir getragen haben. Als Schuhe haben
wir „Holzschuh“ erhalten, Schuhe mit einer Holzsohle.
Und mit diesen Kleidern und den Holzschuhen..., um nur einmal drei
Kilometer zu gehen, musste man schon einen sehr starken Willen haben.
Denn natürlich waren die Schuhe, die wir mitgebracht hatten, nicht
mehr viel wert- Und die Kleider, wir hatten Arbeitsanzüge
bekommen, diese Kleidung war aus Holzfasern gemacht. Man durfte sich
damit nicht allzu sehr in die Nähe von Feuer begeben, denn sie
konnte sich entzünden. Das war die einzige Kleidung, die wir
bekommen hatten. Ich bin in einer Hose heimgekommen, woran die Naht bis zum
Oberschenkel aufgegangen war, und ich hatte drei
Sicherheitsnadeln, um das zu schließen. Das war mein
Erinnerungsstück.
Wir hatten immer zu arbeiten. Und wir hatten keine Stiefel, wir machten
das mit den Holzschuhen. Ich hatte immer kalte Füße. Und
dann hatten wir nichts, um uns aufzuwärmen, wenn wir in den
Speicher kamen, wo wir schliefen. Das war direkt unter den Ziegeln, es
gab nichts, um sich aufzuwärmen |
Medizinische Versorgung
Aber trotzdem war ich nicht krank geworden, ich hatte eine
gute Konstitution. Natürlich hatten wir
Erkältungskrankheiten. Aber wenn wir zum Arzt gehen wollte, dann
wollte der Patron das nicht haben. Wenn der Arzt eine Arbeitsruhe
verordnet hat, dann hat der Patron das am zweiten Tag beendet.
Wir hatten nichts, um uns medizinisch zu versorgen. Ich hatte Blasen an
den Füßen, weil wir die Schuhe mit den Holzsohlen hatten.
Wir konnten das nicht versorgen, denn die Ärzte haben Fettmarken
verlangt, wenn sie eine Salbe machen sollten. Und da wir keine Marken
hatten, bekamen wir nichts
Zu Weihnachten hat man uns sehr viel versprochen, man hat uns gesagt,
im nächsten Jahr hätten wir 14 Tag Urlaub...
Aber nichts davon gab es. Am Heiligabend haben wir ein wenig mehr zu
essen bekommen, aber es war nicht viel.
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Kontakte
mit Einheimischen
Aus Raon l’Etape waren wir also zu fünft, und sonst hatten wir
nicht viel Kontakt zu anderen Vogesenleuten. Wir haben niemanden
gesehen. Wir hatten keine Möglichkeit herumzufahren, keine Zeit
dazu, wir arbeiteten zwölf Stunden.... Im übrigen: wir haben
nicht viel gegessen. Man war mehr darauf aus sich auszuruhen, wenn man
Freizeit hatte. An Sonntagen gelang es manchmal spazieren zu gehen, wenn
man frei hatte. Im Winter, wenn es Schnee gab, gingen wir um den
Schnee in Neckargemünd wegzuräumen. Man sammelte ihn auf LKWs
und schüttete ihn in den Neckar. . |
Die Gruppe der Vogesenleute
Wir haben keinen Kontakt zu anderen Leuten aus den Vogesen gehabt, nur in
Neckarsteinach, da gab es eine andere Gruppe. Die Vogesenleute in der
Fassfabrik Neckargemünd, die Leute, die mit mir in Neckargemünd waren,
sind alle gestorben.
Ihre Namen sind außer mir:
Arnould, Marcel: Vater und Sohn, beide aus La Trouche, sie hatten
den gleichen Vornamen Marcel.
Edmond Lang
André Bernard
Paul Henry Einer der beiden Brüder Henry
( sein Bruder Charles Henry war bei
Maßholder) |
Das
Kriegsende
Es gab keine Arbeit mehr, er gab nichts mehr zu tun. Die Fabrik lief
mit Strom, und es gab keinen Strom mehr , also konnte man nicht mehr
arbeiten. Deshalb hat man uns vor die Tür gesetzt, sie haben
gesagt: „Seht selber wie ihr durchkommt!“ Ohne Lebensmittelkarten, ohne
alles.
Also sind wir bei einem Bauern gelandet, das war nicht in
Neckargemünd, das war etwas weiter oberhalb, ein Weiler ebenfalls
am Ufer des Neckars, vielleicht bei Neckarsteinach, Heidelberg) in Nähe
des Neckars, aber ein wenig auf einer Anhöhe. Dieser
Landwirt war im Krieg in Russland gewesen. Er war behindert, er hatte
ein explodierendes Geschoss an die Hand bekommen
Er hat Mitleid mit uns gehabt, hat uns zu essen gegeben, wir waren zu
fünft. Eine Zeitlang hat er uns verpflegt bis zur Befreiung,
vielleicht eine Woche lang waren wir bei ihm. Danach habe ich ihn nie
wiedergesehen. Immerhin, das war gut, wir waren bei den Kühen, da
war es warm. Wir haben haben im Stall geschlafen. Das war in Ordnung
da.
Er hat uns um etwas gebeten: Er hatte einen Traktor und hatte Angst ihn
zu verlieren, weil sie alle Fahrzeuge wegnahmen. Er hatte eine Tonne
mit Sprit für den Traktor, und wir haben diese Tonne für ihn
versteckt. So war der Traktor ohne Treibstoff und sie haben ihn
dagelassen. Dann hat er uns Steine klopfen lassen für den Wegebau, um
uns zu beschäftigen. Das war kein Nazi. |
Ehemaliger Standort der Fassfabrik, Blickrichtung
Dilsberg
Rückkehr
Wir sind am 1.April befreit geworden, das war am Ostersonntag. Dann sind die Amerikaner gekommen, wir sind nach Heidelberg
zurückgekehrt, von dort haben sie uns nach Frankreich
zurückgeschickt bis Straßburg.
Wir haben den Rhein bei Speyer überquert, in Straßburg gab
es Empfangskomitees für uns, von da an war es organisiert.
Drei Wochen später waren wir zu Hause, drei Wochen nach der Befreiung.
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