Zwangsarbeit im Rhein - Neckar - Raum. Ein Projekt an der IGMH

 


Orte der Zwangsarbeit
  Herkunft der Deportierten     Informationen zum Projekt  
Mannheim
Eppelheim
Heidelberg Altstadt
Heidelberg-Haarlaß
Heidelberg-Kirchheim
Heidelberg-Lärchengarten
Heidelberg-Maßholder
HD-Pleikartsförsterhof
Heiligkreuzsteinach
Ilvesheim
Leimen
Neckargemünd
Schönau 1
Schönau 2
Schönaubesuch
Schwetzingen
Sinsheim
Viernheim
Wieblingen
Tagebuch Gasser
Tagebuch Ledoux
Tagebuch Vouaux
Allgemein:
Startseite

Tagebuch Gasser

 

 

Tagebuch

 

 von Paul Gasser

 

 

 

 

Raon l'Etape /Heidelberg
8.November 1944 – 9.April 1945

 

 

 

Zwangsarbeit bei Auto-Kocher, 

Heidelberg, Bergheimer Straße


 

Foto vom Frühjahr 1945 nach der Rückkehr aus Heidelberg

Paul Gasser wurde 1903  in Vallerysthal-Trois Fontaines im damals deutschen Lothringen geboren. Er sprach deshalb perfekt deutsch. 1944  betrieb er eine Autowerkstatt in Raon l'Etape. Er war nach dem Krieg ein angesehener Bürger dieser Stadt. Er ist 1971 dort gestorben.

Die Stadt hat inzwischen ihr Stadion nach ihm benannt.

Die Tage vor der Verschleppung


Schon Ende Oktober 44 schlafen wir in den Kellern, weil die amerikanischen Granaten hierhin und dorthin fielen. Regen und schmelzender Schnee fallen seit mehreren Wochen. Ein sehr genau platzierter Artillerieschuss der Amerikaner löste dien Minen in der Brücke von La Neuveville aus und ließ sie eine Stunde vor Mitternacht einstürzen [am 4.November]. Die Meurthe wird dadurch halb gestaut, sie steigt andauernd und in der Nacht vom 7. auf den 8. November sind die meisten der Keller überschwemmt. Ich musste meinen Keller seit 5 Uhr morgens evakuieren, ich beendete diese mühsame Arbeit gerade, als die Feldgendarmen mich um 7 Uhr an diesem 9.November mitgenommen haben, damit wir Gräben bauen sollten, - angeblich für zwei bis drei Tage. Sie sagen uns, dass wir Decken mitnehmen sollten und etwas Verpflegung. Während ich meine Gummistiefel anziehe, kommt meine liebe Frau, die mich sehr besorgt mit Essen und Kleidern beladen will. Ich will der traurigen Situation entgehen und möchte schnell aufbrechen und nehme nichts mit. In aller Eile machen mir die paar Soldaten, die bei uns wohnen ein Sandwich mit Entenleberpastete und nachdem ich eine Tasse Kaffee hinuntergeschüttet habe, verlasse ich das Haus.  Vor der Haustüre sehe ich meine Jungen ankommen im Schlafanzug, sie kamen vom Luftschutzraum Sanal (Succursale Sanal, 1 rue Viviani ), ich umarme sie und gehe los ins Unbekannte.

Brückeneinsturz  und folgende Überschwemmung verhinderten die Verschleppung der Männer aus dem Westteil der Stadt.   Vermutlich deshalb deportierten die Deutschen statt dessen Hunderte von Männern aus den nordöstlich gelegenen Dörfern, um den am 10.November  in Heming bereitstehenden Zug zu füllen. Diese Dörfer lagen an der Route zwischen Raon und Héming bei Saarburg.

Deportation  - 

Fußmarsch nach Héming bei Saarburg

Ohne uns viel Zeit zu lassen, zwingen uns die Deutschen vor ihnen herzumarschieren bis zur Kreuzung der Straße nach Celles, wo sie uns in ein Haus stopfen, um auf die Lastwagen zu warten, die uns nach Celles führen sollten. Ich versuche mit einem Feldwebel zu reden, damit ich dableiben kann, weil ich immer noch für die Verwaltung arbeite. Aber er will nichts hören. Ich fahre mit der 3. LKW-Ladung nach Celles; das Fahrzeug beschleunigt seine Fahrt am Ortsausgang von Raon, denn das ist bereits ein guter Zielpunkt für die alliierte Artillerie. Nach der Ankunft in Celles führt man uns sofort in die Fabrik Cartier, um uns dort in einer eisigkalten Werkstatt einzuschließen. Dort blasen wir Trübsal, indem wir unser trauriges Schicksal ahnen. Herr Mougeolle (Direktor der Fabrik Cartier-Bresson) kommt mit seiner Gattin, um uns Kaffee, Geschirr, Äpfel zu bringen. Ich habe auch den Besuch von Frau Froment und von Odile, sie kommen, um mir Lebensmittel zu bringen, darunter ein gutes Stück Rauchfleisch, ein Messer, Brot usw.
Gegen zwei Uhr desselben Tages verlassen wir Celles zu Fuß in Richtung Alarmont, dann lässt man uns den Chapelotte hinaufsteigen, immer gut bewacht. Am Ortseingang von Badonviller fallen Granaten, und  heftig werden wir in die Keller unter den Schulen hineingedrängt. Das ist der niederschmetterndste Augenblick für uns. Es ist Nacht, und wir müssen in dieses dunkle Untergeschoss hineingehen, das voller Abfälle  und Sch... ist, ohne Licht, ohne Türe und auf den feuchten Boden (In diese Keller waren in der Nacht zuvor schon Hunderte von Männern der umliegenden Dörfer eingesperrt gewesen, die einen Tag für den Transport nach Heidelberg zusammengetrieben worden waren.).
Der Marsch durch den feinen Regen hat uns äußerlich durchnässt und die Verdunstung und die Müdigkeit sind nicht zu empfehlenswert für die Gesundheit.
Schließlich wird man sich an den 9.November erinnern, als jeder Mann dieses Konvois die ganze Zeit hatte nachzudenken und an die Seinen zu denken. Ich glaube kaum, dass irgendeiner der Gefangenen  gut schlafen konnte.
In diesem Keller gehe ich nie von Détrey (Nachbar von P.Gasser.) und Mourman weg, und wir bleiben immer zusammen während des Marsches und beim Schlafen. Von Zeit zu Zeit rauchen wir eine Zigarette, indem wir immer die Streichhölzer sparen. Und während der ganzen Nacht hört man die sechzehnjährigen Jungen weinen, was uns noch einen weiteren Tiefschlag versetzt. 

Am nächsten Morgen sammelt man uns in zwei Klassenzimmern oben darüber, um uns unsere Ausweise wegzunehmen, – und um an uns zu verteilen:  für je zwei Leute einen guten „Nickel“ (Pumpernickel ) und eine Pastetendose für 21 und eine Dose Salami  für 7 Mann. Es war Zeit, dass man uns etwas zu essen gab, denn unsere Vorräte sind ziemlich mager geworden. Gerade vor dieser Versammlung gegen 15 Uhr versuche ich noch einmal freizukommen und werde dem Leutnant vorgeführt. Ich zeige ihm meine Papiere, dass ich ausschließlich für die Armee arbeite und gebe vor, dass ich bei mir noch zwei Fahrzeuge fertig machen muss, da antwortet er mir, dass es angesichts der durchgeführten Einteilung zu spät ist und dass ich mich beim nächsten Halt erneut melden soll. Danach stellen wir in für Reihen auf nach  Cirey.
Am Ortsausgang von Badonviller beschleunigen wir unsern Schritt, denn die amerikanische Artillerie hatte schon am Vortag mit ihren Granaten die Straße übersät. Wir gehen schnell bis Carrières, wo die Wachleute einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen. Sie erklären mir, dass sie am vorangehenden Tag mit dem Konvoi aus Neufmaisons, Pexonne, Ancerviller, Neuviller usw. hier bombardiert worden waren. Wir setzten unseren Marsch fort durch Bréménil, dann nach rechts nach Petitmont und Cirey. Es ist wahr, wir wären beim Hinaufgehen am Hang von Bréménil eine zu gute Beute für die Artilleristen gewesen. Bevor wir in Cirey ankommen, schreibe ich einige Worte für meinen Freund Aimé auf ein Blatt auf das Notizbuch von Mourman und in dem Augenblick, als wir bei Auguste vorbeikommen, rufe ich, aber vergebens: niemand ist aufgetaucht. Ein bisschen weiter unten beim Sägewerk sehe ich Fahrer beim Abladen von Baumrinde. Denen geben ich das Papierstück für Aimé. Die Nacht kommt, und während wir bei Dupuy vorbeikommen, gebe ich einem Mädchen den Auftrag, den „Seppele“ von meinem traurigen Spaziergang zu benachrichtigen.  Ich bin niemanden aus meiner Bekanntschaft begegnet, und traurig ziehen wir zum einem Gebäude der Glashütte. Einige hundert Meter vor der Ankunft dort will ich mich unter einem Wagen flüchten, der auf dem Trottoir abgestellt ist, aber in der Zeit, in der ich mich sicherheitshalber nach den Wachleuten umdrehe, bin ich am Fahrzeug schon vorbei, und noch einmal gehen wir in ein neues Quartier hinein, wo sich schon einige hundert Unglückliche wie wir befinden, die aus Neufmaisons, Pexonne usw. Dort verteilt man uns einige Rationen wie in Badonviller, und nachdem man uns auf die Toilette gelassen hat, schließt man uns ein je zwanzig in einen Raum bis zum nächsten Tag, den 10. November um acht Uhr morgens. Der anstrengende Marsch macht uns einen guten Schlaf. Schon am frühen Morgen ruft man mich, und Auguste Aimé und Mme Dupuy zu sehen, die meine Nachricht erhalten haben und kommen, um mir Kaffe, Brot, Wurst, Speck, Tabak usw. zu bringen.
Ich danke ihnen und plaudere ein paar Minuten mit ihnen unter dem beobachtenden Auge des Wachmanns; ich gebe ihnen den Auftrag, mir das zu verschaffen, was ich von zu Hause hätte mitnehmen müssen, und am Nachmittag bringt mir Mme Dupuy ein Hemd, eine Unterhose, einen Schal, Zigarettenpapier, ein Rasierapparat, Rasierklingen, ein Rasierpinsel, ein paar Socken, Papier, Briefumschläge, ein Bleistift, Hausschuhe, ein Paar ganz neuer Jagdschuhe, Handtücher, der Waschlappen, Seife usw. Mme Lubet bringt mir Suppe, Kartoffeln, Kaffee. Gegen 14 Uhr packen wir zusammen, und man stellt uns in Fünferreihen in der Straße auf, wo mir noch Mme Dupuy und Aimé zwei Taschen voller Lebensmittel bringen, die auch von meinem Cousin Boulanger kommen. Ich muss ihnen sehr dankbar sein, denn ich hatte Glück damit, und ohne sie wäre ich für lange Zeit sehr elend und erbärmlich dran gewesen.
Der Konvoi besteht jetzt aus ungefähr 700 Männern.
Während wir in Reihen angetreten sind, beklagen und Hunderte von Frauen aus Cirey und bleiben da stehen, viele mit Tränen in den Augen, um diese traurigen Wegzug aus der Heimat anzusehen.
In einem Nieselwetter begeben wir uns in auf die Straße den Hang hinauf in Richtung Lorquin - Hemingen. Der Konvoi ist stark bewacht durch etwa hundert Feldgendarmen, die mit Maschinenpistolen und Maschinengewehren bewaffnet sind. Vor der Ankunft in Lorquin bereite ich schon ein Papier vor mit einigen Worten an meine Kusine Louis. Natürlich bitte ich um einige Kleidungsstücke und Lebensmittel, die mir fehlen. Am Ortseingang von Lorquin lässt man uns wieder den Hang hinaufgehen Richtung Hemingen. Ich bin enttäuscht, aber wir müssen weitermarschieren. Mühsam schleppen wir uns bis zum Bahnhof, wo 12 eiskalte Waggons ohne Lokomotive auf uns warten. Man stellt uns auf in Sechserreihen und in Gruppen zu 60. Jede Gruppe nimmt in einem Wagen Platz, ohne Licht und in einer sehr dunklen Nacht. Wir wickeln uns unter großer Mühe in unsere Decken. Ich ziehe meine Gummistiefel aus, um in meine Hausschuhe zu schlüpfen, aber nie habe ich mich aufwärmen können. Gegen 20 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung, und die Wachleute in jedem Wagen setzen sich an unsere Seite und untersagen uns Feuerzeuge, Streichhölzer usw. anzuzünden. Bei der Einfahrt in den Bahnhof Saarburg, hege ich die Absicht zu fliehen; der Zug verlangsamt ziemlich, aber mir fehlt der Mut, und wir rollen in die schwarze, eisige Nacht ohne Halt durch Saarburg, Saaralben, Saargemünd, Saarbrücken, Pirmasens, Richtung Mannheim. Einige unerwartete Stopps wegen Fliegeralarm erlauben uns, unseren traurigen Ausflug zu lokalisieren.

 

 

 

 

 

 

Als Automechaniker mit einem Geschäft in der rue Jules-Ferry musste Paul Gasser für die Besatzer Fahrzeugreparaturen durchführen.


 

 

 

 

 

 


 

Schule von Badonviller mit den Kellerfensten

 

 














Daraus ergibt sich, dass das gleiche deutsche Kommando erst die Männer der Dörfer zusammentrieb und dann die Männer von Raon l'Etape nach Hemingen brachte.

 

 

 

 

 










 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bahnhof Hemingen bei Saarburg, wo der Zug schon bereitstand. Der Abtransport muss also schon von langer Hand organisiert worden sein. Am gleichen Tag standen an vier anderen Bahnhöfen in der Region weitere solche Züge bereit.

 

 

 

Ankunft in Heidelberg, 

Quartier im Marstall  und „Viehmarkt“  

(11.11.- 16.11.1944)
Der Zug hält um 6 Uhr 30 (am 11.November) auf der Rheinbrücke zwischen Ludwigshafen und Mannheim. Das erlaubt uns, die Schäden in beiden Städte, die feste Brücke zu erkennen und dass ihre Enden durch Wachposten gut bewacht ist. In langsamer Fahrt fährt der Zug weiter ins Unbekannte. Während der ganzen folgenden 20 km sehen wir Trichter von Bomben und die Schäden, die sie verursacht haben. Gegen 10 Uhr fahren wir in den Bahnhof von Heidelberg ein, wo man uns zwingt, wegen eines Fliegeralarms bis zehn Minuten vor zwölf im Zug zu bleiben. Da wir während der ganzen Fahrt nichts getrunken haben, gibt es immerhin einige Wachleute, die sich hergeben, unsere Wasserflaschen zu füllen.
In Sechserreihen stellt man uns auf, und mit dem Gepäck sehen wir aus wie eine Pioniertruppe aus aus. Wir durchqueren die schöne Stadt mitten durch die Bevölkerung, die uns wie merkwürdige Tiere betrachtet. Hier und da machen sich die Gassenjungen über uns lustig. Wie ein Herr führt uns der Offizier an der Spitze zum Marstall, dem alten Stall der Kurfürsten, er ist in einen Gymnastiksaal, einen Reitsaal und  die Mensa der Studenten umgewandelt worden. Man bringt uns in der „Sporthalle“ unter, das heißt 700 Männer auf eine Fläche von 18 mal 30 Metern mit nur einer Toilette. Als ungefähr die Hälfte ihren papierenen Strohsack ausgebreitet hat, erkennen sie immerhin, dass nicht alle da unterkommen können. Also zieht man die Gruppe aus Raon heraus, um sie in der „Turnhalle“ unterzubringen, die ei n wenig geheizt ist und wo wir über 3 WC verfügen, wo man sich etwas rasieren kann.
Wir sind einigermaßen gut untergebracht, man bringt uns  gegen 15 Uhr eine klare warme Suppe. Das ist das erste warme Essen seit Raon. Bis jetzt bin ich immer eng in einer Gruppe mit Détrey und Mourman geblieben. Wir holen aus unserer Tasche die wenigen mitgebrachten Lebensmittel, und so beenden wir sehr müde diesen Samstag, den 11. November 44.
Am Sonntagmorgen wird uns ausgegeben eine Tasse Kaffee und vier Scheiben Kommissbrot mit Marmelade als Frühstück, mittags Suppe und abends Suppe. Die Müdigkeit lässt uns noch einmal eine gute Nacht verbringen und am Montagmorgen beim Rasieren erwische ich einen großen weißen Floh unter meinem Unterhemd. Ich bin niedergeschlagen und sehr gequält auf den Hüften, die mit roten Punkten bedeckt sind. Von 10 Uhr an durchmustern uns die Unternehmenschefs, um ihre zukünftigen Sklaven zu finden. Das ganze sieht aus wie ein Viehmarkt, wo jeder das möglich dickste Tier zum Ausbeuten aussucht.  In kleinen Gruppen trennen sich die Kameraden, um arbeiten zu gehen, mal weit weg, mal in die Nähe in Fabriken, die einen schlechten Ruf haben. Dieser Markt dauert bis Donnerstagabend, den 16. November um 17 Uhr 30, wo ich als letzter mit einem anderen namens Maurice Héric aus Neuviller übrigbleibe. Nachdem wir alle Strohsäcke zusammengeräumt und ausgeleert und die Säle gekehrt haben, werden wir zum Auto-Vertrieb Kocher in Heidelberg geführt.

 






 

Marstall Heidelberg.

 Quartier für etwa 700 Männern und Jungen aus den Vogesen zwischen dem 11. und 16. November 1944. Benutzt wurde dafür der linke Bauteil.










 

 

Beginn der Zwangsarbeit beim Autovertrieb-Kocher,  Bergheimer Str.26


November und Dezember 1944


Dieses Mal hat uns das Glück gelacht, denn wir sind bei einem guten Chef gelandet, der dafür sorgt, dass wir privat frei wohnen können und der uns reichlich Lebensmittelmarken verteilt für die restliche Woche. 
Die Arbeit beginnt also am 17. November, wir sind eingestellt als Spezialisten, unser Lohn ist eine Mark (pro Stunde).  Die ersten Tag erscheinen sehr lang, aber wir hören schließlich auf darüber zu klagen.
Schon am nächsten Tag, den 18.November, geht der Patron fort, um Kleidermarken für Arbeitskleidung zu holen und für Lederschuhe. Am diesem Samstag bekommen wir im voraus eine Lohnzahlung von 15 Mark. Wir haben Marken für Schuhe in der Tasche, aber nicht genügend Geld, um sie zu zahlen.
Am Nachmittag beobachten wir den Verkehr und schlendern durch die Straßen, um die Stadt kennen zu lernen. Das ist das erste Mal, dass ich bei Tageslicht zu unserer Wohnung gehe. Glücklicherweise hat mein Kamerad Héric den Orientierungssinn, denn nie hätte ich mich in den dunklen Nächten zurechtgefunden.
Am Dienstag, den 19. begegnen wir Kameraden aus Raon in der Hauptstraße 115, einem Restaurant, wo man reichlich und billig essen kann.
Nach einer Woche Arbeit bekommen wir als ersten Lohn 56 Mark, aber es werden die 15 Mark Vorschuss und der Preis für die Arbeitsanzüge, 18,40 Mark einbehalten, es reicht gerade so viel, um die Woche zu überstehen.
Diesen Samstag, den 25.11., können wir noch einmal nur die Schaufenster anschauen, ohne uns Schuhe leisten zu können. In der folgenden Woche geht das besser und wir leisten uns schöne feine Schuhe ganz aus Leder für 16 Mark 20. An diesem Samstag kaufen wir auch mit dem Rest unserer Lebensmittelmarken Margarine, Butter, Marmelade, Kartoffeln und Weißbrot, um am Sonntag bei uns zu Hause kochen zu können.
Unser Zimmer mit zwei Betten ist sehr hell und hoch, es ermöglicht uns die nötige Ruhe und unsere Vermieterin ist auch in allem sehr nett zu uns.  Am Sonntag stehen wir gegen Mittag auf, um uns zu rasieren und unser  Steak oder unsere Schweinekoteletts mit Bratkartoffeln zu machen. Die folgenden Lohnauszahlungen, immer ungefähr 55 Mark, verpflichten zuerst ein Darlehen von 20 Mark anzugeben, denn wir wollen um keinen Preis unsere französischen Francs eintauschen. Das Comité de Secours immédiat (COSI) verteilte uns anfange auch 5000 Frs, die wir mit allen Mitteln unangerührt lassen wollen für die Rückkehr. Mit unseren Marken für Zwangsarbeiter können wir gut leben und uns noch feine Backwaren leisten, wenn es uns gut scheint. Pro Woche haben wir das Anrecht auf 3,5 kg Gerstenbrot, 550 g Weißbrot, 125 g Marmelade, 225 g Zucker, 25 g Kaffee, 2,5 Kilo Kartoffeln, 31 g Käse, 62,5 g Butter, 600g Fleisch, 150 g Schweinefleisch, 140g Margarine, 150 g Teigwaren, 31 g Quark. Für die Feiertage gibt es einen Zuschlag von 2 Eiern sowie Fleisch und Brot.       
Sobald wir als Mechaniker untergekommen waren, hat der Patron einen polnischen Arbeiter, den Seppl, weggeschickt, um uns ein Zimmer zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt war das nur schwer möglich, aber mit guten Lokalkenntnissen werden wir bei einer braven Witwe, Mme Ziegler, in der Oberen Neckarstraße 29 untergebracht, 20 Gehminuten von der Werkstatt. Die Straßenbahn kommt auch vorbei, aber um unsere Ausgaben zu begrenzen, gehen wir lieber zu Fuß. Es ist sehr kalt, die Betten sind gut, aber wir müssen trotzdem in ein eiskaltes Bett hinein. Die Betten hier sind nicht so wie die unsrigen. Es gibt nur ein Leintuch auf einer Art flachem Daunenschlafsack, bedeckt durch eine sehr lange Federbettdecke. Glücklicherweise habe ich zwei davon, aber immer noch nicht genug gegen die starke Kälte. Aber wir decken uns mit Ledermantel, Jacke, Hose und sogar Pullover zu. Unsere Vermieterin lädt uns ein, die Abende in ihrer Küche zu verbringen und so können wir uns sogar aufwärmen bevor, wir schlafen gehen.
In der Folge vertraut uns die brave Frau Ziegler ihre ganze Wohnung an, und wir befinden uns eine wenig wie zu Hause.
Jeden Morgen weckt uns Madame um 6 Uhr, und zu unseren zwei Tassen Milchkaffee haben wir immer die Tageszeitung. Schließlich haben wir ein Zimmer mit zwei sauberen Betten, Wecken, Frühstück, Wäsche unserer Kleider und Aufräumen für 20 Mark für jeden im Monat. Wir haben es also sehr gut getroffen.
Frau Ziegler hat schon einen zwanzigjährigen Sohn in Russland verloren und lebt mit ihrem zweiten Sohn Karl, der sechzehn ist.
Anfangs scheint uns unser neues Leben sehr traurig zu sein, und oft lassen wir trübsinnig die Köpfe hängen. Wie oft denke ich an zu Hause und welche Dummheit ich begangen hatte, mich nicht vor den Feldgendarmen zu verstecken.
Die Tage folgen aufeinander, und bei der Arbeit gehen die Stunden kaum vorüber, wir sehen die Stadt nur nachts, denn wir verlassen die Werkstatt erst nach sieben Uhr abends. Nach einigen Wochen erlauben wir es uns, unser Mittagessen selber zu kochen, denn die selbstgemachten Schweinekoteletts mit Bratkartoffeln und in solcher Menge ernähren uns besser als das Restaurantessen. 

Wir haben die Gewohnheit angenommen unser Abendessen beim Schimmel zu essen, wo eine große blonde Dicke, die sehr freundlich ist, uns das Stammgericht mit einem Halben bringt, und gleichzeitig rät uns die blonde Kellnerin, was wir nehmen sollen. Die Portionen sind reichlich und nicht teuer, wir gehen mit 1,60 bis 2 Mark gesättigt weg. Das ist unsere schönste Zeit, wir begegnen den Kameraden, es ist warm, man sieht Leute, miteinander zu reden. Pierre Etienne  kommt oft, um mich hier zu sehen, und ich gebe ihm Lebensmittelmarken, damit er bei seinem Hunger mit uns essen kann. Er ist sehr schlecht untergebracht, bekommt keine Lebensmittelmarken und beklagt sich über seine Arbeit. Ich rede über ihn mit meinem Chef, der unmittelbar etwas unternimmt, um ihn zugeteilt zu bekommen. Nach einigem Pech wird Pierrot nach etwa drei Wochen geholt. Wegen seiner Wohnung ist es sehr schwierig, und er muss bei der Organisation Todt wohnen, in der Pestalozzi-Schule usw.  Anfang Dezember sind die vier deutschen Soldaten, die mit uns gearbeitet haben, eingezogen worden und es bleiben zurück: zwei Franzosen, ein Russe, ein Pole, ein Schweizer und zwei Lehrlinge im Alter von sechzehn Jahren.
Am Samstag, den 9.12.44 und am Sonntag, den 10. arbeiten wir, denn jeden siebten Sonntag haben wir Pannendienst.

Hauptstraße 115,

damals Stammhaus der Brauerei Kleinlein. Der Gastwirt hieß Theo Schimmel


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Obere Neckarstraße 29,

die Wohnung von Frau Ziegler lag im zweiten Stock.

 

Bild unten: Nr.29 von der anderen Seite her gesehen.

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weihnachten 1944 und Neujahr 1945

Danach kommen die Weihnachtsfeiertage, also drei Tage frei, sie sind die allertraurigsten Tage, denn gegen 19 Uhr 30 war Fliegeralarm, und wir müssen das Restaurant verlassen. Als wir bei unserer Vermieterin ankommen, lädt sie uns glücklicherweise ein, den Abend in ihrer Familie zu verbringen. Nachdem wir ein Glas getrunken haben und einige Kekse gegessen haben, gehen wir sehr schlafen und denken sehr an unsere Familie. Da hatte ich die größte Depression in meinem Leben. Welch trauriger Abend, welch traurige Nacht! Daher verspreche ich mir, dass ich es am Silvesterabend besser machen werde. Aber mit welchem Erfolg! Ich will mir einen guten Apfelkuchen machen lassen durch M. Florentin, der nicht weit von uns in einer Bäckerei arbeitet. Aber es ist unmöglich, Äpfel zu finden, die man nur mit Marken für Kranke oder Verwundete verkauft bekommt. Also wiederholt sich das Drama in der Neujahrsnacht. Luftalarm nach dem Abendessen und da danach niemand zu Hause ist, gehen wir schon um 21 Uhr ins Bett mit dem Katzenjammer. Im Bett denken wir an die Unseren, und es ist unmöglich einzuschlafen, so einen Kummer macht das. Ach, das ist es, was ich mir wünsche: das nächstes Silvester unter den Meinigen zu feiern und sich mit ihnen zu freuen. Schließlich habe ich für den Neujahrstag sogar einen Kuchen bekommen können, eine „Linzer Torte“, die wir nach dem Abendessen zu einer Flasche Landwein gegessen haben, welchen wir von einem Kunden, Herrn Käser, bekommen haben.

René Florentin war Bäcker in Raon, 19 Place de la République. In Heidelberg war er mit seinem Sohn Roger (geb.1927) der Bäckerei Feist in der Ingrimstraße 32 zugeteilt worden.

 

 

Ehemalige Bäckerei Feist in der Ingrimstraße

Januar 1945

Am 4.1. gehe ich zum deutschen Roten Kreuz um mir internationale Postkarten zu besorgen, damit ich nach Hause schreiben kann. Es gelingt mir drei zu bekommen, und ich verteile sie an meine Kameraden Héric und Etienne. Fräulein Kocher tippt sie uns mit der Maschine und am 5.1. gehen sie ab nach Ettal (Bayern) und über die Schweiz nach Frankreich.
Am 9. Januar erhalte ich einen Brief von Détrey der mir aus Eppingen schreibt mit dem Datum des 17. November 1944. Am 15 Januar erhalte ich den Besuch von Détrey und Labrousse, die mir von ihrem schönen Leben in Richen erzählen; angelockt durch diese guten Dinge verspreche ich ihnen sie in vierzehn Tagen zu besuchen.
Am 14.1. informiert mich mein Zimmergenosse Héric über einen Vorschlag  von COSI, und nennt mir einen Termin, wo ich mit Eloy, dem COSI-Chef der Region Heidelberg treffen soll. Am 15. bin ich pünktlich um 17 Uhr in seinem Büro, und man bietet mir eine Stelle als Werkstattsleiter der COSI in Grisingen, was nicht weit von der Schweizer Grenze entfernt ist, mit 500 Mark Monatslohn. Ich nehme das sofort an, aber ich brauche dazu die Erlaubnis meines Chefs, um dorthin gehen zu können. Am Donnerstag den 18.1. frage ich  Herrn Kocher, ob ich den Samstagmorgen und den Montagmorgen (22.Januar) frei bekommen kann. Im Moment sagt er weder ja noch nein, aber er hätte es trotzdem akzeptiert. Doch als ich auch für P.Etienne frei frage, sagte er kategorisch nein. Diesmal bin ich enttäuscht, denn ich hätte nie eine Ablehnung vermutet. Man muss annehmen, dass ihn das beschäftigt hat, denn am nächsten Morgen kommt Kocher schon um halb acht in die Werkstatt, eine außerordentliche Sache. Er lässt mich rufen und stellt mir die Frage: „Aber Herr Gasser, worum geht es denn, gefällt es Ihnen hier nicht mehr, muss es unbedingt sein, dass Sie da hingehen, was zieht Sie denn so dort hin?“ Natürlich sage ich ihm, dass ich dort Freunde habe und dass ich die schöne Gegend sehen möchte. Endlich weiß er ungefähr, was ich da suche und angesichts seiner unerwarteten Weigerung sage ich ihm: „Jetzt verstehe ich, warum ein Patron seinen Arbeiter anschreit und  bedrängt, denn er ist der wahre liebe Gott, und ohne seine Erlaubnis kann der Arbeiter nichts machen.“  Darüber geriet er in Zorn und behauptete, dass ich das über ihn sagen würde, und dass er froh sei, dass ich im frei meine Meinung gesagt habe und dass er bedaure, dass er uns so gut behandelt und so für uns  gesorgt habe usw. usw. Als ich sehe, wie er ihn in bester Fahrt ist, schneide ich ihn kurz ab, indem ich ihm sage, er könne denken, was er will, und ich gehe aus dem Büro. Während zwei ganzer Tage haben wir ihn dann nicht mehr in der Werkstatt gesehen. Aber am dritten Tag kommt er behutsam zu mir zum Plaudern und um mir eine Zigarre in meine Tasche rutschen zu lassen.
Mein Vorstoß war daneben gegangen, und ich vergaß die Geschichte. Der Chef wird wieder freundlich und liebenswürdig wie vorher, denn er hatte alles zu gewinnen.
Ich verbringe als den Sonntag, den 21.1. in Heidelberg und ärgere mich sehr, dass ich nicht zu dem interessanten Ort habe fahren können.
 Schließlich geht die Arbeit gemächlich voran und am 25. kündigt uns Frau Ziegler an, für acht Wochen nach Athending(?) bei Koblenz zu fahren.
Am Samstag, den 27.1. begleiten wir sie auf unserem Weg zum Arbeitsplatz auf den Bismarckplatz, und sie steigt in die OEG nach Mannheim. Sie überlässt uns die Zuständigkeit für ihre Wohnung, sie vertraut uns alle ihre Schlüssel an und sogar ihren Koffer mit ihren wichtigen Papieren und Familiendokumenten, und sie beauftragt uns, ihn im Fall eines Unglücks zu retten.
Am gleichen Abend nehmen wir den Zug nach Richen über Sinsheim, zusammen mit P.Etienne und dem Arzt Rousseau. Wir fahren am Karlstor um 16 Uhr 51 ab, wir kommen an unserem Ziel gegen 22 Uhr [in Richen].
Siehe unter Zwangsarbeit in Richen
Der Montag verläuft nicht allzu gut, mir ist schlecht, ich kann nicht rauchen, habe nicht einmal etwas essen können und habe den Arbeitsplatz gegen 17 Uhr verlassen müssen um mir zu Hause einen Tee zu machen und mich gleich ins Bett zu legen.
Am Dienstag, den 30.1. ist meine Gesundheit wieder normal geworden, und das monotone Leben geht weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

COSI = Comité de Secours immédiat, eine für die französischen Zivilarbeiter  des Service de Travail Obligatoire (STO) arbeitende Hilfsorganisation.

 

 

 

 












 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Arzt Georges Rousseau, geb 1904, musste bei der Waggonfabrik Fuchs arbeiten.

 

 

Februar 1945

Samstage 3.2. arbeiten wir nicht, weil die Stromversorgung in Ordnung gebracht werden muss. Das ist die erträumte Möglichkeit, um unsere Wäsche zu machen, das Zimmer zu putzen. Dann gehen wir in die Stadt, um eine Konditorei zu finden, um unseren gewöhnlichen Nachtisch zu kaufen. Aber die Mühe ist umsonst, wir laufen durch die Stadt von oben bis unten, die Konditoreien haben keinen Kuchen mehr zu verkaufen. Die Krise beginnt beim Kuchen!


[2.Besuch in Richen an diesem Wochenende - hier weggelassen.]


Am 12.2. beginnen wir wieder unser gewöhnliches morgendliches Leben als Arbeiter, wo die Zeit auch sehr angenehm vergeht.
Am Mittwoch, den 14.2. gibt es Alarm wegen Fallschirmjägern. Als wir nach Hause gehen, hält man uns an wegen Papieren. Das ist der Bäckermeister von den Florentins, der der Chef der Patrouille ist, und als er mich wiedererkennt, lässt er uns weitergehen. Am gleichen Abend, als wir im Eisernen Kreuz zu Abend essen, werden wir erneut wegen der Ausweise belästigt. In Begleitung von Georgel gehen wir auf die Polizeistation, wo wir Erklärungen abgeben müssen. Am nächsten Tag, den 15. verschaffen wir uns um 14 Uhr auf der Polizei Anmeldeformulare. Wir füllen den Fragebogen für den Vermieter aus. Außerdem muss man sich fotografieren lassen, und am folgenden Samstag, den 17. Februar klappere ich zusammen mit Etienne alle Fotografen ab, einen großen Topf Marmelade in der Hand. Alle lehnen ab, weil sie Strom sparen wollen. Da wir nicht mehr arbeiten, gehen wir zur Volksküche, um unser Essen zu bekommen, was sich aus Kartoffelsalat und dünnen Scheiben von Lunge zusammensetzt. Eine ekelhafte und abstoßende Sache.
Wir essen das bei uns zu Hause und der Nachmittag vergeht mit Besorgungen und mit der Suche nach einem ehemaligen französischen Kriegsgefangenen in Rohrbach, der in Richen bei der Bahnhofswirtin einquartiert gewesen war. Mit einer unvollständigen Adresse kann ich ihn nicht finden, und sehr ärgerlich nach so einer Lauferei, kehre ich nach Hause zurück. 
Am Sonntag den 18.2. treffe ich den Arzt und P.Etienne, um auf den Kohlhof zu gehen zum Mittagessen mit Most. Man hört gut die Kanonen in Richtung Saarbrücken. Wieder zurück in Heidelberg  nehme ich einen Halben zu mir bei Wachter, um Leute aus Raon zu treffen und von daheim zu plaudern. Um 18 Uhr gehen wir nach Hause, kochen etwas, um anschließend schlafen zu gehen.
Am nächsten Tag, 19.2., beginnt die Arbeit wieder, aber um Elektrizität zu sparen, beginnen wir erst bei Tageslicht, das heißt um acht Uhr.
Samstagabend, am 24., nach den Besorgungen, etwas kochen und ins Bett.
Sonntagmorgen Wäsche, Reinigung der Küche, des Schlafzimmers, etwas kochen und Besuch von Mourman.
Die Vollalarme folgen aufeinander, und wir verlassen unsere Wohnung gegen 16 Uhr während des Beschusses durch Jabos, um auf das Schloss hinaufzusteigen, wo wir die Mauern entlanggehen und dauernd den Angriff beobachten. Einige schlecht platzierte kleine Bomben zerstören eine Klinik und verursachen 8 Tote. Wir gehen hinunter vom Schloss, um die Schäden in der Nähe des Bahnhofs anzusehen, aber da taucht ein einzelner Jabo, der uns eilig den Weg nach Hause einschlagen lässt. Als wir auf der Höhe der Stadt angekommen sind, wird das Ende das Alarms angekündigt, so nehmen wir noch einen Halben bei Wachter in der Gemeinschaft von Leuten aus Raon. Die Konditoreien verkaufen keine Kuchen mehr, und das Weißbrot ist zu Ende. Gegen 18 Uhr 30 kehren wir in unsere Bude zurück um unser Beefsteak zu machen und um 21 Uhr gehen wir schlafen.
Am nächsten Tag, den 26. 2. nehmen wir unsere Arbeit wieder auf, und die Vollalarme nehmen von Tag zu  Tag zu.  Die anglo-amerikanische Offensive auf Köln ist in Gang gekommen.

 








 


Der Bäcker Feist aus der Ingrimstraße.


Eisernes Kreuz, Hauptstraße 214, ziemlich nahe an Gassers Wohnung am Karlsplatz.

Wilhelm Wachter, Wirt des Eisernen Kreuzes.
Maurice Mourman, geb.1903, seine Arbeitsstelle ist unbekannt.




Im Eisernen Kreuz scheint es einen regelrechten Raon-Stammtisch gegeben haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

März 1945

Am 1.März erhalten wir unsere Photos die ich noch am gleichen Abend auf die Polizei bringe. Am Freitag, den 2. 3. ist Bügeln nach dem Abendessen, und am Samstag, den 3.3. Arbeit bis mittags, Suppe, Besorgungen für die Woche in den Geschäften. Danach gehe ich mit Héric um auf dem Schloss einen Unterstand für Fliegeralarme zu reparieren. Es ist mühsam so viele Stufen hinaufzusteigen, aber das lässt uns den Abend angenehm verbringen.
Am Sonntag, den 4.3., hole ich Mehl bei den Florentins. Es gibt einen Jaboangriff auf den Bahnhof (Karlstor?), und ich beobachte das von meinem Schlafzimmer aus, bis es zu gefährlich wird. Ich renne entlang der Mauern zum Schloss, wo ich einen schönen Beobachtungspunkt habe. Sobald es beendet ist, gehe ich in die Stadt hinunter, um die Schäden anzusehen. Ein Krankenhaus ist beschädigt und es gibt acht Tote. In der Umgebung des Bahnhofs bedecken Trümmer den Boden.
Am nächsten Tag geht die Arbeit weiter, und da denkt man an nichts. Am Freitag den 9.3. erkrankt Etienne an einer schweren Angina. Er wird von unserem Arzt versorgt, aber es gibt keine Besserung, weil Pierrot in einem ungeheizten Zimmer wohnt. Ich mache einen Vorstoß bei unserem Chef, damit er eine Visite durch einen anerkannten Doktor der Arbeitsfront bekommt.
Am Samstag, den 10. beeile ich mich mit den Einkäufen, um allein mit dem Zug nach Richen zu fahren.
[Siehe Zwangsarbeit in Richen.]
Am Montag, den 12.3. gehe ich bei Etienne vorbei, der noch sehr krank ist, um ihm die drei frischen Eier zu bringen und von dem Kuchen, was mir die Pensionswirtin in Richen mitgegeben hat. 

In dieser Woche verringert man auch unsere Lebensmittelrationen. Fast keine Nährmittel mehr, 1000 g Brot weniger und 125g Margarine weniger. Etienne geht es sehr schlecht, er hat das Zimmer gewechselt. Endlich finde ich trotzdem dort hin. Am gleichen Tag kommt Karl Ziegler, der Sohn unserer Wirtin von Arbeitsdienst nach Hause. Ich schicke ihn zu seiner Schwester Hanna, die Landwirtschaftslehrling in Seckenheim ist, damit er sie holen soll, damit sie ihm die Mahlzeiten bereiten kann und ihm helfen kann vor dem Einrücken zur Wehrmacht.
Bis zu diesem Tag waren wir in der Wohnung allein, und am folgenden Tag, den 13.3. beginnt  eine Leben in der Familie. Seit der Ankunft dieses jungen Mädchens von 17 Jahren, schön, solide wie ein Felsen und eine extreme Arbeiterin macht sich schnell bemerkbar, wie die Wohnung heruntergekommen war. Die Zimmer werden gründlich gesäubert, dei Betten gewechselt, eine riesige Wäsche wird vorbereitet und bald leuchtet alles.
Bei der Arbeit sind wir ohne Lust, alles verlangsamt sich.
Am Freitag, den 16. 3. nimmt Etienne mühsam die Arbeit wieder auf. Am Samstag, den 17.3., werden wir nach der Arbeit von den Jabos angegriffen, die dicht über die Dächer fliegen und in der ganzen Stadt Panik verbreiten. Mit Freude beobachten wir diese Beschießung mitten ins Zentrum hinein, in der Bergheimerstraße. Dieses Schauspiel dauert eine gute Stunde, und nachdem es sicher ist, begebe ich mich nach Schwetzingen, wo man mir Tabak versprochen hat. Nach ziemlichen Schwierigkeiten finde ich die Kolonialwarenhandlung Fischer, und diese Leute, die vollständig unserer Meinung sind und gegen das Regime protestieren, geben mir fünf Packungen Tabak und 5 Päckchen Zigarettenpapier. Glücklich wie ein Fisch im Wasser, kehre ich eilig zurück, damit ich noch die Samstagsbesorgungen für die Woche machen kann. Ich begegne einem Typ von Raon, der mir Neuigkeiten von Raon erzählt, die von einem Brief an den Sohn vom Bäcker Chapelier stammen, den dieser erhalten hat.
Unsere Stadt soll erhalten geblieben sein, wie wir sie verlassen haben.

Der Notar Meyer sagt mir auch, dass der Sohn von Nilsa und Delvincourt von Maßholder weggekommen sind, sie sind ungefähr 60 km weiter, um Bombenlöcher aufzufüllen. Nach der Rückkehr in die Wohnung bereiten wir das Abendessen, um nicht wieder wegzugehen. Der Abend vergeht wie viele andere mit “Mensch ärgere dich nicht” und “Dame”.
Nachdem wir gut geschlafen haben, wecken uns am Sonntag den 18.3. die Jabos mit ihrem Maschinengewehrfeuer, wir bereiten das Mittagessen nach Art des Hauses vor, und am Nachmittag machen wir uns auf den Weg nach Rohrbach, um einen Brief aus Richen an einen französischen Kriegsgefangenen zu übermitteln, der lange dort einquartiert gewesen war. Es gibt immer wieder Vollalarm, und als wir am Friedhof vorbeikommen, besuchen wir das Grab eines Kameraden aus Neuviller,der in der Waggonfabrik tödlich verunglückt ist. Als wir in die Stadt zurückgehen, treffe ich Marcel Gaillard und Joinard, nicht zu verkennen an seinem Spitzbart und Schnurrbart. Weil wir durstig sind, gehen wir auf einige Halbe zu Wachter und kehren in die Wohnung zurück, um das Abendessen vorzubereiten, und bleiben dann zu Hause.
Am Montag beginnt wieder die Arbeit, der Kollege von P. Etienne erkrankt an einer Brustfellentzündung. An diesem Tag bekommen wir auch den Besuch von einem anderen Franzosen, der 48 Jahre alt ist und aus dem Departement Oise kommt. Die Vollalarme unterbrechen dauernd die Arbeit. Der Frühling beginnt am 21. und die Woche endet mit viel mehr Hoffnung für uns. Unser Chef Kocher, der sehr nationalsozialistisch ist, beginnt sich zu wandeln und er sagt mir offen, dass es “sinnlos” ist, keinen Sinn weiterzumachen. Trotzdem hat er seine Frau weggebracht und einige wertvolle Dinge.
Am Samstag den 24. arbeiten wir nicht, und wir benutzen das, um mit Maurice im Wald Holz zu holen. Mit einem tragkräftigen Wagen brechen wir gegen 14 Uhr auf und nach einem steilen Anstieg sage ich ihnen schon am Waldrand, dass sie da Bäume fällen sollen. Ohne uns zu genieren, beladen wir den Wagen mit einem guten halben Ster von gutem Holz, und wir steigen nach dieser Arbeit stolz wieder hinunter, um schon gegen halb vier wieder zurückgekehrt zu sein. Die Leute im Haus beglückwünschen unsere Vermieterin, so gute Franzosen zu haben, und glücklich und sehr müde essen wir zu Abend und begleiten unsere Vermieterin ins Kino. Das ist das erste Mal, dass ich in Deutschland ins Kino gehe.
Am Sonntag, den 25.3., sägen wir am Vormittag die größen Stämme, und nach dem Essen brechen wir auf für ein gutes Bier, das wir mir Vergnügen neben dem “Ritter” genießen. Ich lade die vorbeigehenden Vernier , Clavel, Alison, Michel und Crouzier ein, das braune Bier zu versuchen und nehme Vernier und Clavel mit in unser Zimmer, um die leere Mehltüte an Vernier zurückzugeben. Nach dem Abendessen begeben wir uns ins Kino, von wo wir um 21 Uhr zurückkehren, weil da alles geschlossen sein muss. Wir machen eine Partie “Mensch ärgere dich nicht” und  gehen schlafen.
Am 26. geht die Arbeit weiter, der Tag meiner Eheschließung, ich rechne auf eine Heldentat, die uns die rasche Ankunft der Alliierten ankündigen könnte.
Dienstag, den 27.3, Vernier bringt mir 3 Kilo Weißmehl und die “Kameraden” nähern sich rasch der Stadt Heidelberg.
Am 28. beginnen wir die Arbeit um 8 Uhr, man gibt uns nichts mehr zu tun, deutsche Kommissionen beschlagnahmen die Fahrzeuge, ob sie fertig sind oder nicht. Der Chef ist ganz entmutigt, die Arbeit geht langsam und lustlos.
Am 29. müssen wir erst um 9 Uhr anfangen; sobald der Chef kommt, ruft er mich ins Büro und sagt mir: “Herr Gasser, was werden wir machen, der Kampf wird lächerlich, ich bin mutlos.” Ich antworte, dass wir verlangen nicht  mehr arbeiten zu müssen und dass wir in Heidelberg bleiben wollen. Er sagt mir, wir sollen Feuer im Esszimmer zu machen und sehen, wie wir uns die Zeit vertreiben. Ohne uns umzuziehen, gehen wir nach Hause, und ich gehe mit Etienne mitten durch einen starken Regen, um den Friseur Regenwetter aufzusuchen. Zurück zur Werkstatt gegen halb eins, esse ich, und  der Nachmittag vergeht beim Aufräumen, danach Viertel vor 16 Uhr, als wir alle zusammen im Chor dem Chef auf Wiedersehen sagen. Er wünscht uns viel Glück, bittet uns um unsere Heimatadressen und wir nehmen unser Gepäck auf. In diesem Durcheinander vergisst der Chef sogar uns zu zahlen, aber wir werden uns später darum kümmern. Beladen mit meinem Arbeitsanzug, einigen Werkzeugen und den Gummistiefeln, gehe ich in unsere Wohnung, um danach nicht mehr auszugehen. An diesem Abend haben wir wie schon am Vortag zwei ununterbrochene Vollalarme, das bedeutet entweder die Ankunft der Alliierten oder die Verminung der Brücken. Am Mittwochabend wurde der Steg am Wehr gesprengt und am Donnerstagabend, den 29., ist es die alte Brücke. Wie immer bin ich nicht in den Keller gegangen, ich war schlafen gegangen, als mich um 22 Uhr die Explosion im Bett auffahren lässt. Das war eine Detonation wie die von der Brücke von Neuveville. (= die Meurthebrücke in Raon l'Etape)






















 

 

 

 

 

 

 











Louis Chapelier war in einer Turnhalle in Eppelheim (Arbeit Stotz-Kontakt) untergebracht. Der Brief seines Schwagers aus Köln ist erhalten. Hier wird sichtbar, wie schwierig es für die Raonnais war, Nachrichten von zu Hause zu bekommen.

Vergleiche unsere dazu die Erinnerungen auf unserer  Maßholder-Seite

 

 

 

 


Das Grab von Alphonse Bauer.
Dieser war tödlich verunglückt bei Abrissarbeiten auf dem Gelände der Waggonfabrik
.
Gaillard: Schreiner in Raon, Platz der Republik; Joinard:  in Raon Flaschner und Alteisenhändler

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 









 

Pierre Alison (geb 1904) war bei Maßholder.

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Befreiung

Karfreitag, 30. März: Man teilt mir beim Aufstehen mit, dass die Amerikaner in Ziegelhausen sind, wohin Leute von hier schon am Vorabend hingegangen sind, um Rapsöl von einem großen Schiff zu holen. Gegen 8 Uhr rücken die Amerikaner auf dem rechten Neckarufer vor gegenüber von uns mit einem Panzer und zwei gepanzerten Fahrzeugen. Um zehn sind sie schon auf der Hauptstraße und besetzen die Hauptpost. Die Leute hängen weiße Fahnen aus den Fenstern und Maschinengewehre, Panzergeräusche usw. ertönen in der ganzen Stadt. Um halb zwölf kommen der “Doktor” und Pierre Etienne zu mir, um mit uns zu essen. Unsere Wirtin bereitet dafür Spätzle aus Weißmehl vor, eine gute Soße und Fleisch mit Salat und dem Öl. Wir gehen dann in die Stadt bis zum Bismarckplatz. Da bleibe ich stehen und führe mit den Yankees eine gute Unterhaltung.  Sie sind von Marseille gekommen und haben zusammen mit der 1.französischen Armee den Vorstoß geführt bis vor Colmar, von dort wurden sie zurückgezogen und in dem Vorstoß von Saargemünd eingesetzt. Gegen 17 Uhr gehe ich allein durch die Stadt zurück und werde in einen Hausgang gejagt, denn die Deutschen sollen einen Gegenangriff machen. Es passiert aber nichts, und ich treffe die Kameraden auf dem Marktplatz. Am Abend gibt es eine amerikanische Artilleriesalve auf das Hinterland. Glücklich gehen wir schlafen gegen 22 Uhr.
Samstag, 31. März: Zu früher Stunde holt mich Clavel ab zum Plündern von Waggons, die im Tunnel stehen geblieben sind.  Wir gehen zusammen bis zum Karlstor und er allein geht in den Tunnel. Ich warte über eine Stunde in einem kalten Wind, und als er nicht kommt und die Amerikaner die Leute wegjagen, kehre ich allein zurück. Marc Clavel kommt kurz danach mit gerade zwei Gläsern Apfelmus, ein Karton mit Butter wurde ihm am Bahnhof abgenommen. Nach dem Essen gehe ich mit Maurice fort zu einem Spaziergang bis zu unsrer Werkstatt, wir schauen die endlosen Militärkonvois an. Welche Ausrüstung, welche schöne Disziplin, diese neue Armee. Sie haben auch schon begonnen, eine Brücke über den Neckar zu bauen, und am Sonntag gehen schon Massen von Menschen darüber.
1.April, Ostern, beginnt mit einem Beschuss durch Flak, es schießt aus allen Ecken auf die deutschen Aufklärungsflugzeuge, die die amerikanischen Stellungen inspizieren wollen. Ich gehe zum Polizeihauptquartier, um etwas über die Heimkehr zu erfahren. Aber wir müssen auf die spezielle Kommission für Repatriierung warten. Nach einem guten Mittagessen kosten wir den großartigen selbstgemachten Kuchen, dann kommt Mourman, dann Clavel und Vernier und schließlich die Florentins, die den Nachtisch vollends essen. Der Osternachtmittag sieht uns den Neckar entlang spazieren und danach in die einzige Kneipe einkehren, um einige wohlverdiente Halbe zu trinken. Ich verlasse meine Kameraden vor unserem Haus und komme zum Abendessen, danach verlasse ich es nicht mehr, weil ab 18 Uhr niemand mehr auf der Straße sein darf.  Um den Abend zu beschließen, spielen wir zu sechs “Mensch ärgere dich nicht” und gehen gegen 23 Uhr in die Federn. Wir haben auch vier dicke Kerzen gemacht, denn niemand hat ein Licht.
Am Ostermontag, den 2. April, wache ich sehr früh auf, schon seit fünf Uhr morgens höre ich die Viertelstunden schlagen,  und ich stehe gegen acht Uhr auf, um Brot zu holen bei Florentin und eine gute Tüte voll Graupen mitzubringen. Wieder zu Hause bekomme ich den Besuch eines Arbeitskollegen, Morel, dann Vernier, der auch mit Neuigkeiten ankommt. Ich gehe mit ihm weg zur Polizei, wo ich Kruch finde und als ich in die Stadt gehe, treffe ich Marcel Gaillard, der mir mitteilt, dass die Franzosen mittags und abends in der Universitätsmensa essen können. 

 

Wir gehen direkt zur Mensa, aber da ist nichts, man schickt uns ins Hotel Victoria. Dort treffe ich wieder Kruch, der mir sagt, dass die Büros schon geschlossen sind und dass man um 13 Uhr 30 wiederkommen soll, um sich einschreiben zu lassen. Ich treffe den jungen Clarté, der ziemlich krank ist, mit einem nassen Tuch unter dem Arm, er sagt uns dass wir auch zum Plündern des Hotels gehen sollen. Ich gehe hin mit Vernier und Gaillard, um angewidert herauszukommen mit nichts als einer Herrenslip. Wieder zurück zu uns, ist der Tisch gedeckt und wir essen mit unserem Hunger die Dampfnudeln mit Apfelmus nach einer guten Gemüsesuppe.
Diese Tage erscheinen uns lang und wir sind alle ungeduldig wegen der Heimkehr. Die Kaufläden und Wirtschaften sind geschlossen, wir können nichts als wie Schaulustige durch die Straßen zu spazieren, die vor Ausländern überfüllt sind. Von 18 Uhr an müssen die Straßen fei sein und im Haus ohne elektrischem Licht machen wir 4 Kerzen an, um endlich ein gutes Abendessen zu uns zu nehmen. Die Nächte sind lang und wir sind trübsinnig.
Am 3.4. immer noch das gleiche Leben, und da wir nicht arbeiten, vergeht die Zeit nicht. Man geht fort, um Neuigkeiten zu erfahren, man trifft überall Kameraden und Gerüchte laufen um. Zum Glück verbringen wir die angenehmen Abende bei uns mit verschiedenen Brettspielen, Mensch ärgere dich nicht usw.
Am Morgen des 4. April bringt mir Mourman einen Karton mit 50 Zigarettenschachteln von je 24 Zigaretten. Ich hoffe noch welche zu haben bis zur Rückkehr. 

Gegen 14 Uhr gehe ich mit Maurice zum Güterbahnhof, um Lebensmittel zu suchen. Dort finden wir ein stark zerstörtes Eisenbahnzentrum, Leute stürzen sich in die Bombenlöcher, wo Hunderte von Litern Wein hineingeflossen sind. Sie holen ihn heraus mit dem Schlamm, um damit große Flaschen zu füllen und das zu trinken. Wir wagen uns auf einen der drei Tankwagen und finden dort zwei mit „pinard“ (?) gefüllte Eimer und das ist unser Diebstahl. Aber weil da Kameraden sind, der Ehemann der Margot Blaise, verteilen wir fast alles und kommen nur mit zwei Litern in einer Gießkanne zurück. 

Als wir den Güterbahnhof verlassen, nehme ich noch einen großen Mülleimer mit, den ich bei Mourman mit Briketts füllen werde. Wir planen noch einmal zurückzukehren mit einem Wagen, um hier nach Koks zu suchen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Arzt Georges Rousseau

 



Ehemaliger Eisenbahntunnel, Einfahrt Karlstor




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Laurent Kruch, Besitzer der größten Druckerei in Raon l'Etape, musste in einer Druckerei in  Handschuhsheim  arbeiten. Ihm gelang es heimlich beim Drucken Lebensmittelmarken abzuzweigen.

 

Hotel Victoria am Stadtgarten, das heutige Juristische Seminar, war das Sammellager für viele der Vogesenleute in der Heidelberger Region vor der Repatriierung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am nächsten Morgen stehen wir zu spät auf, und erst am Nachmittag dieses 5.April machen wir uns auf den Weg zum Organisieren. Als wir dort ankommen, stehen da unnachgiebige amerikanische Wachposten, die niemand mehr durchlassen. Wir sammeln trotzdem von den Geleisen zwei Säcke voll Kohle zusammen, um nicht ganz ohne etwas heimzukommen. Diese ganzen Tage über gehen wir um 11 Uhr und um 17 Uhr in  den Marstall zu einer Suppe, wo man immer Neuigkeiten erfährt.
Am 6.April kommt ein Freund auf der Suche nach dem Sohn von Mathieu, dem Maler, um ihn nach Raon zu bringen.
Samstag 7.April, ich schaffe es zwei Kilo Fleisch zu bekommen beim jungen Febvay. An diesem Abend geht der elektrische Strom wieder und die Spiele verlängern sich bis Mitternacht.
Der Sonntag, der 8. erinnert uns daran, dass wir nun 5 Monate von unseren Familien weggerissen sind. Den ganzen Tag über kommen Besuche, und nach einem guten Mittagessen zu Hause, mache ich einen Spaziergang mit unserer Vermieterin und ihren Freundinnen. Es ist ein wunderbarer Tag, voller Sonne, mit einem herrlichen Blick auf die blühenden Hügel Heidelbergs. Bei der Rückkehr überqueren wir den Neckar mit einem Boot und kommen um 18 Uhr heim, dem Zeitpunkt der Ausgangssperre. Wir bereiten das Abendessen, dann machten wir einige schöne Spielpartien und dann ging’s in die Federn. An diesem Sonntag haben wir beschlossen, dass wir am folgenden Mittwoch zu Fuß aufbrechen werden, Héric, Etienne, Clavel, Vernier und Mourman und ich. Ich bin auch bei meinem Chef Kocher vorbeigegangen, der nach uns gefragt hat. Er empfängt mich mit einer Zigarre, Schnaps und erklärt seine traurige Lage angesichts dessen, dass er durch einen Kommunisten von der Organisation Todt als Gestapoagent denunziert worden war. Mit Etienne zusammen machen wir ihm ein wohlwollendes Attest, und wir begeben uns mit ihm am folgenden Tag, den 9.April ins Rathaus zu einer amerikanischen Dienststelle. Da bestätige ich, dass er uns immer mit der größten Achtung behandelt hat und dass er sich jeden Tag um sein Geschäft kümmern musste, ohne das er sich mit anderen Dingen beschäftigen konnte. Sehr schnell ist er aus der Sache raus, und ich verlasse ihn sehr viel sicherer als er beim Hereinkommen gewesen war.
Zurück zu Hause mache ich Feuer, und nach dem Abendessen gehen wir ins Hotel Viktoria, um uns dort für die Suppe einschreiben zu lassen.