Zwangsarbeit im Rhein - Neckar - Raum. Ein Projekt an der IGMH

 


Orte der Zwangsarbeit
  Herkunft der Deportierten     Informationen zum Projekt  
Mannheim
Eppelheim
Heidelberg Altstadt
Heidelberg-Haarlaß
Heidelberg-Kirchheim
Heidelberg-Lärchengarten
Heidelberg-Maßholder
HD-Pleikartsförsterhof
Heiligkreuzsteinach
Ilvesheim
Leimen
Neckargemünd
Schönau 1
Schönau 2
Schönaubesuch
Schwetzingen
Sinsheim
Viernheim
Wieblingen
Tagebuch Gasser
Tagebuch Ledoux
Tagebuch Vouaux
Allgemein:
Startseite

Tagebuch Vouaux



 

 

Jean Vouaux Tagebuch:
Mein Leben in Deutschland.

Auszüge

 


Zwangsarbeit für das Staatliche Forstamt Heidelberg .

Die Arbeitsstelle im Wald konnte bisher noch nicht identifiziert werden. Am Schluss arbeiteten die Männer auf dem Münchel.


Lager: Stallgebäude neben dem damaligen Hotel Haarlass

 


Jean Vouaux vor seinem Haus in St.Maurice.





 

 

 

 

 

Ein Enkel von Jean Vouaux hat das sehr ausführliche Tagebuch in einem Exemplar drucken lassen.


Auszüge aus dem Tagebuch

Heute ist der letzte Tag des Jahres 1944. Da es Sonntag ist und da ich nichts zu tun habe, habe ich beschlossen, ein wenig  zu beschreiben, wie wir hierher gekommen sind und welches Leben wir hier führen.
Wie wir am Tisch saßen und im Keller. Wie ein Soldat -, als schon die Granaten um den Weiler von St.Maurice de la Forge fallen,  den Befehl bringt, dass alle Männer zwischen 14 und 60 Jahren sich vor der Sägerei Danichert einfinden müssen.
Wir bereiten also das Gepäck vor, denn wir mussten um sieben Uhr am nächsten Morgen bereit sein mit Löffel, Gabel, Decke und Lebensmittel für zwei Tage. Es sollte angeblich darum gehen, oberhalb von Bremenil Gräben bauen. Das passierte gegen sechs Uhr abends. Die Granaten fielen schon  nahe an den Häusern. Eine ist bei uns hinterm Haus gefallen, aber nicht explodiert. Um zehn Uhr abends erhält der Bürgermeister den Widerruf des Befehls. Wir waren es zufrieden, aber das dauert nicht lange, denn am nächsten Morgen um halb zwölf hieß es, dass man um halb zwei bereit sein müsse. Um halb zwei waren alle Männer bereit, dort waren auch die Männer von Ste.Pôle.
Es gab eine Selektion: die Männer über 45 und die ehemaligen Soldaten bleiben im Dorf. Die Namen aller anderen wurden aufgeschrieben und mussten um vier Uhr Nachmittag nach Badonviller abmarschieren.
Wir waren begleitet von Wachsoldaten, die uns in den Kellern von Badonviller schlafen ließen. Was für eine Nacht! Wir mussten auf dem kalten Steinboden liegen, es war unmöglich sich auszustrecken, so eng lag man nebeneinander und außerdem bis ins Knochenmark ausgefroren. Ungeduldig erwarteten wir den Tag. Um acht Uhr gingen wir unter Bewachung ins Freie, froh über die frische Luft, gehen wir auf die Toilette. Um 10 Uhr neue Aufstellung und Aufschreiben der Namen. Die Kränksten werden heimgeschickt. Um 12 Uhr Brotverteilung: ein Laib für drei Männer, eine Konservendose für 9 Männer und um 3 Uhr Abmarsch von Badonviller nach Val-et-Chatillon... Gegen 6 Uhr sind wir dort. Es ist dunkel, es regnet. Die Männer sind müde und bitten von den guten Leute, die uns vorbeigehen sehen, um etwas zu trinken. Manchen gelingt es zu fliehen. Schließlich kommen wir um 7 Uhr abends in Cirey an.... Man lässt uns in die Werkstätte der Glashütte hineingehen.
Dort sind wir einige Tage geblieben...
Am 10.November um ein Uhr Nachmittag Abmarsch nach Héming. Die vielen Personen, die gekommen waren, um uns zu besuchen, mussten ihre Pakete durch die Fenster hinausreichen, als wir auf der Straße angetreten waren..

 



Die sciérie Danichert zwischen St.Maurice und Ste.Pôle,   Sammelpunkt vor der Deportation.









Schule in Badonviller.

Tatsächlich dürfte dieser  Aufenthalt in der Glashütte von Cirey nur einen Tag und eine Nacht gedauert haben .


Abtransport nach Deutschland
Wir kommen um fünf Uhr in Héming an. Man führt uns zum Bahnhof, wo uns ein Zug erwartet, um uns ins Großdeutsche Reich zu bringen.
Wir sind in Hemingen abends um acht Uhr abgefahren. Der Zug fährt über Saarburg, Saaralben, Saargemünd, Homburg, Kaiserslautern, Ludwigshafen um Viertel vor 9 Uhr morgens, wir überqueren die Rheinbrücke bei Mannheim und dann halten wir auf dem Hauptbahnhof von Mannheim ungefähr eine Viertelstunde lang. Arme Stadt! Den ganzen Weg entlang der Schienenstrecke sind die Straßenzüge vollständig durch die Bombardierungen zerstört. Der Bahnhof selber ist getroffen. Schienen sind herausgerissen, Waggons liegen übereinander, Lokomotiven liegen umgestürzt in einer Ecke, die einen ohne Räder, die anderen haben keine Schornsteine mehr. Also mit einem Wort: es ist schrecklich, was die Bomben anrichten.


Ankunft in Heidelberg: Marstall
Dann endlich kommen wir in Heidelberg an. Nach einem Aufenthalt von zwei Stunden verlassen wir den Bahnhof um 12 Uhr 45 in Richtung Stadtzentrum, zum Arbeitsamt. Man bringt uns für vier Tage in Gebäuden der Universität unter. Dort schlafen wir auf dem Fußboden. Die anderen Kameraden schlafen auf Strohsäcken. Da ging es uns gut: keine Arbeit und doch erhielten wir etwas zu essen; immer die gleichen Sachen: morgens schwarzen Kaffee mit vier Scheiben Brot von einer Dicke von 1 cm und ein wenig Konfitüre. Mittags und abends eine dicke Suppe, die aus Kartoffeln und einigen Teigwaren besteht.
Schließlich am Mittwoch, den 15.November  morgens kommen wir zur Visite: Alle werden als für die Arbeit tauglich angesehen außer einigen, die eine leichte Arbeit im Sitzen machen müssen, aber es sind wenige. Dann am Nachmittag ruft man plötzlich 29 Männer für die Landwirtschaft auf. Da gab es ein wahres Getümmel, alle stürzten sich hin, um sich aufschreiben zu lassen. Aber das Los ist auf die Männer des Dorfes Ancerviller gefallen.
Danach verlangt man nach 170 anderen Männern. Neuer Andrang. Ich gehe hin mit einigen Kameraden, vor allem André Chéry, die beiden Brüder Jacquot, André Brunet, Jean Estève, einige Evakuierte von Merviller und Reherry, Gilbert Hellé und Jean François mit seinem Vetter Maurice Lambert und Georges Gridel. Nachdem wir eingetragen sind führt man uns in ein anderes Quartier, das an das bisherige angrenzt.
Neues Abzählen: 80 Mann sind weggeschickt worden zu einem Ziel, das uns anderen unbekannt ist. 50 Mann sind aufgebrochen in eine andere Richtung und 40, unter diesen waren wir, sind in Heidelberg geblieben. Sie riefen die Männer einen nach dem anderen auf und sie mussten sich in Dreierreihen aufstellen. [...]
Marstallhof


 

 

 

Vermutlich sind das die Kommandos für Waldarbeiten
 in: 

Schönau (Evangelische Pflege Schönau),
Heiligkreuzsteinach und Eberbach. - beides staatliches Forstamt.  

Die 40 könnten die Lager Haarlaß und Lärchengarten gewesen sein. 


Lager Haarlaß

Wir wohnen in einem Stall des Hotels Haarlaß.
 

Vgl heute: www.sas.com/offices/europe/germany/sas/haarlass.html 

Die Einrichtung sieht folgendermaßen aus:
Fünfundzwanzig Betten sind rings in der Bude aufgestellt, jeweils zwei zusammen, d.h. als Doppelstockbetten; in der Mitte steht ein primitiver Herd, den man alle acht Tage reinigen muss, so sehr verrußt er. Denn wir haben nur Fichtenholz zum Einheizen und es ist ein Herd, der wirklich zerlegbar ist. Die Decke besteht aus fünf  Teilen besteht, das Gitter ist mit Draht repariert. Die Tür des Feuerraums existiert nicht mehr und innen liegen Ziegelsteine, die ein wenig verhindern sollen, dass der Rauch herausdringt und in die Bude entweicht.Neben dem Ofen steht ein großer Tisch, der den geringen Platz ausfüllt, der uns geblieben wäre, um durchzugehen.
Jeder hatte eine kleine Vorrichtung an seinem Bett gemacht, die einen ein kleines Brett auf der Seite, die anderen hatten ihre Decke durch Bretter verdeckt oder mit Kartons, die sie in einem Schuppen des Hotels gefunden hatten, um sich gegen die Kälte der Nacht zu schützen. Gilbert Hellé, André Mathouillot, Jean Francois und Maurice Lambert, die an der Eingangstüre schlafen, mussten einen großen Schutzschild hinstellen, um sich gegen den Nachtfrost zu schützen. Vor allem wenn jemand auf die Toilette muss, dringt die Kälte schnell herein, um einige Pensionsgäste zu Eis erstarren zu lassen.

 

Das ehemalige Haarlaß-Hotel, direkt am Neckar. 1944 war hier eine Geburtsklinik untergebracht.

Heute befindet sich in dem Gebäudekomplex die deutsche Firmenleitung eines Software - Unternehmens. Der ehemalige Stall ist  nach vielen Umbauten nicht mehr feststellbar.

 

 

 

 

 


Arbeit im Wald
Am Donnerstag, den 16. November brechen wir auf zu unserem Arbeitsplatz [im Wald]. Wir haben eine Baracke gebaut, damit man die Werkzeuge hineinstellen konnte, nach Beendigung der Arbeit, am folgenden Tag, haben wir mit der Arbeit im Freien begonnen. Für mich ändert sich nicht viel, denn ich bin gewohnt mit dem Beil zu arbeiten, die Gewohnheit des Berufs. Aber was uns müde macht, ist der Weg. Wir müssen 6 km in die Berge gehen, um an unsere Arbeit zu kommen.
Das ist das Schlimmste: Am Morgen wenn wir um sechs Uhr aufstehen mussen, da ist es so schön im warmen Bett. Draußen herrscht eine wahre Hundekälte. Der Schnee bedeckt den gefrorenen Boden schon seit acht Tagen. Bevor wir aufbrechen, verschlingen wir ganz schnell ein oder zwei Viertelliter Milchkaffee mit eine Brotschnitte mit Konfitüre und einer mit Margarine und dann brechen wir zur Arbeit auf. Die ganze Strecke den Neckar entlang schneidet uns die Kälte ins Gesicht. Glücklicherweise folgen wir ihm nicht die ganze Strecke der 6 km, die wir zurückzulegen haben. Nach eineinhalb Kilometern verlassen wir das rechte Flussufer, wo die von der Organisation Todt belegten Baracken stehen und durchqueren die kleine Stadt Ziegelhausen auf einer Länge von 2,5 Kilometern.[...]
Die Ortschaft ist nicht sehr ausgebreitet, eine Reihe von Häusern auf jeder Seite der Straße. Das sind hübsche Häuschen im elsässischen Stile, grün oder gelb gestrichen; wenn man sie ansieht, glaubt man auf eine Ansichtskarte zu schauen. Am Ortsausgang liegt eine kleine Fabrik, eine frühere Schokoladenfabrik, wo man Präzisionsobjekte herstellt. Da arbeiten etwa zehn Franzosen. Es tut wohl einigen Kameraden zu begegen, die französisch sprechen, das ändert alles ein wenig. Wir können in keinen Laden gehen oder auf der Straße um Auskunft bitten, ohne uns mit Gesten verständlich zu machen oder wenige Worte zu stammeln wir ein kleines Kind, das gerade zu sprechen beginnt, um dann eine Antwort zu erhalten, die manchmal unverständlich ist.
Nach dieser Fabrik gehen wir in den Wald.
  

Wir verlassen plötzlich die Straße und klettern einer hinter dem anderen etwa 2 km hoch. Welche Freude, wenn wir endlich bei der Baracke ankommen, völlig außer Atem wie junge Hunde, die hinter einem Hasen herrannten. Mit durchnässtem Hemd nimmt jeder seine Werkzeuge und geht an seinen Platz. Der Großvater gibt seine Befehle und geht mit dem einen oder anderen weg und durchmisst den ganzen Tag die steilen Waldhänge, besucht eine Gruppe, dann die andere und das trotz seiner 62 Jahre.
Der „Großvater“ ist der Chef unserer Arbeitsstelle. Wir haben ihn so benannt, weil er schon alt ist, 62 Jahre. Man würde das kaum sagen, wenn man ihn sieht, man würde ihm nur 50 Jahre geben, so lebhaft ist er in seinen Bewegungen, in seinem Gang. Unter seinem grünen Jägerhut, der vorne mit einem Adler geschmückt ist, zeigt er ein gutes rotes Gesicht und eine große blaue Nase. Man muss ihn durch die Waldhänge klettern sehen. Man sieht gut, dass er im Wald geboren ist, wie man so sagt. Er betrachtet einen Baum, dann einen anderen mit der Miene, als würde er mit ihnen reden, schneidet einen Ast ab, der einen Durchgang behindert, entrindet eine Fichte oder hilft dem einen oder anderen, der seine Arbeit nicht allein tun könnte. Er ist ein guter Arbeitsvorgesetzter, der es versteht seine Arbeiter zu belohnen. Mittags verteilt er reihum das, was von seinem Essen übrig ist, Gemüse oder Brot und manchmal lässt er uns einige Minuten vor der Uhrzeit losziehen.
Ich bin zusammen mit Maurice Lambert und André Brunet. Bald bediene ich mit einem von ihnen die Säge, und dann entrinde oder ziehe ich Baumstämme. Das ist die schwierigste Arbeit, der Transport. Die Bäume, in der Hauptsache gehte es um Fichten, werden gefällt, entästet, entrindet, durchgesägt entsprechend ihrer Größe: diejenigen die ziemlich dick sind werden auf eine Länge von 1 Meter 55 geschnitten, die anderen auf eine Größe von 2 Meter 50. Danach muss man sie den ganzen Hang hinunterrollen lassen, das sind ungefähr 500 Meter. Welche Anstrengung, wenn man danach den Hang wieder hinaufsteigen muss und das acht bis zehn Mal am Tag. Dann ist man froh, wenn man am Abend in die Bude zurückkehren darf. Manchmal ist man völlig durchnässt, weil man auch unter tropfenden Bäumen arbeiten muss.
Auch trotz des Schnees müssen wir Bäume fällen, und manchmal gibt es Ärger, weil manchmal der Partner sich ärgert, weil es kalt ist und er sich auf jede Weise aufzuwärmen versucht, vor allem durch die Arbeit. Um elf Uhr verlasse ich die Arbeit, und ich gehe die Suppe aufwärmen auf einem kleinen Ofen, der  wie wir sagen, ein Ster Holz am Tag verschlingen würde, so gut zieht er, und er heizt enorm. Von Zeit zu Zeit, manchmal sogar tagelang schärfe ich die große Säge. Der „Großvater“ will nicht, dass ein anderer Kamerad feilt.
Dann endlich um Viertel vor sechs verlassen wir die Arbeit auf einen Pfiff des Alten hin. Das sieht aus wie das Auffliegen eines Sperlingschwarmes. Obwohl wir so müde sind -, das muss man gesehen haben, wie wir den Abhang hinunterklettern.
Wenn wir noch Einkäufe machen müssen, nützen wir es aus, dass wir Ziegelhausen durchqueren müssen. Da ist der Kaufmann Schneider, der uns oft sieht, denn er macht auch den Tabakwarenhandel und jeden Tag verteilt er 3, 4 oder 5 Zigarren an jeden und das über unsere Karten hinaus.
Und dann die Rückkehr in die Bude. Mit schleppendem Schritt durchschreiten wir die Türe, und obwohl es nicht sehr schön und kaum komfortabel ist, sind wir doch froh, da einkehren zu können.
Und so ist unser Leben jeden Tag.














 











Im Hintergrund die ehemalige Schokoladenfabrik Haaf. Links zweigt hier der Münchelweg ab, den die Gruppe wohl täglich benutzte, um in den Wald hinaufzugehen.








Der Name dieses  Forstarbeiters war Ernst Hug. Nach dem Adressbuch war er "Hilfswaldhüter", wohnte in der Peterstaler Str. 50.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Adressbuch war das: Schneider, Georg: Rauchwaren u. Kolonialwarenhandlung , Ziegelhausen, Hauptstr.20

 

 

 


7.Januar 1945
Heute ist der 7.Januar, bisher habe ich nicht einen einzigen Arbeitstag versäumt, doch, ich täusche mich: einige Zeit, nachdem wir angekommen waren, regnete es derart, dass der Neckar über die Ufer trat, er überschwemmte die Straße auf eine Länge von mindestens 300 Metern. Unmöglich durchzukommen; wir müssen die Schuhe ausziehen und die Hosen bis zu den Schenkeln hochkrempeln. An diesem Tag hat uns der „Großvater“ in der Baracke Haarlass aufgesucht. Als er uns da gesehen hat, die einen beim Kartenspielen, die andern beim Basteln an ihrem Bett, denn die Einrichtungen waren noch nicht abgeschlossen, und mich beim Wäsche machen, hat er aus vollem Hals gelacht, als er uns begrüßt hat. Es war kein Dolmetscher da. Er ging durch den Stall und nach fünf Minuten unverständlicher Unterhaltung ist er abgerückt, sagte „Bis Montag!“. Denn dieser Tag war ein Samstag, und zwei Tage ununterbrochener Arbeitsruhe, das war nicht schlecht nach einer Woche Arbeit.
Ich habe vom Neckar gesprochen in vorangehenden Zeilen. [...]. Er ist ein mehr oder weniger schiffbarer Fluss, denn es kommen täglich Lastkähne vorbei, die von Schleppern gezogen werden. Es gibt sicher Fische in ihm, denn sonntags verbringen trotz des schlechten Wetters und der Kälte einige wenige Angler ihren Nachmittag, um in kurzer Zeit einen kleinen Fisch herausziehen, womit sie ein kleiner Abendessen für einen Dezemberabend haben werden.  [...] Bei den vielen Luftalarmen wagen wir es nicht wegzufahren, um unsere Umgebung zu besuchen.

 

Dieses Hochwasser dürfte in der zweiten Novemberhälfte  1944 gewesen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Heimkehr von der Arbeit und Abendessen
Jetzt kommen wir von der Arbeit, man muss die Panik im Quartier gesehen haben. Alle stürzen sich auf die einzige Schüssel, die wir zum Waschen haben. Und es klingt aus allen Ecken: „Jetzt bin ich dran, ich hatte sie vor dir reserviert“ , oder  „Die kriegst nicht du, sondern ich, ich war vor dir da!“ und wie viele andere Ausreden, um sich vor den Kameraden waschen zu können. Glücklicherweise haben wir noch fast eine Stunde, um sich auf das Essen im Hotel Haarlass vorzubereiten. Wenn jeder sich gewaschen hat, kocht der eine einige Kartoffeln und Karotten, die er irgendwo in der Umgegend  gefunden hat oder vom Abfall mitgenommen hat, um die Suppe von morgen anzudicken und zu verlängern. Das mache ich jeden Abend, wenn ich Gemüse gefunden habe, andere legen sich auf's Bett und andere spielen Karten à la bourre und verlieren manchmal bis zu 300 Francs am Abend. Aber das ist nicht einmal das schlimmste, denn  der  Sonntag ist am schönsten zum Kartenspielen. Um sieben Uhr verlässt jeder seine kleinen Angelegenheiten und man macht sich auf zur Suppe.
Zwei Mann holen sie in der Küche, damit ich sie an jeden verteile. Wir sind in einem für uns reservierten Saal. Nach der Suppe bringen zwei andere Männer den leeren Topf zurück  und holen entweder die Kartoffeln, die in Wasser gekocht und dann auf dem Herd gebraten wurden mit etwas Wurst oder den Kartoffelsalat oder noch etwas Wurst, vor allem Blutwurst. Man merkt wohl, dass wir in einer Entbindungsklinik sind, denn wir bekommen oft,  Leberwurst, eine Art Schweinskopfsülze oder eine Art dicke Schwarzwurst. Danach werden die kleinen weißen Brötchen verteilt, die Margarine, die Marmelade und das Fleisch oder die Wurst für das Mittagessen am nächsten Tag; und jeden dritten Tag wird das Brot verteilt. Alle diese Verteilungen machen wir zu zweit, Gilbert Couturier von Neufmaison und ich. 
Nach dem Abendessen kehren wir singend in unsere Baracke zurück. Die Kartenspieler (belote oder bourre) spielen weiter, die anderen gehen ins Bett. Ich glaube, dass immer noch das Bett das beste ist, und deshalb ziehe ich es auch vor zu Bett zu gehen, wenn die Suppe für morgen fertig ist  und wenn mein Geschirr gesäubert ist.
Das sind die hauptsächlichen Beschäftigungen in der Woche.

 



Sonntagsbeschäftigungen
Das ist der interessanteste Tag der Woche, denn in dieser Jahreszeit ist es schön, lange im Bett zu bleiben. Gegen halb acht verteilt Paul Chanel den Kaffee, denn er hat angeboten ihn jeden Morgen aufzuwärmen. Bald ist es Pierre, bald ist es André, bald bin ich es, der ihn für jeden von uns holt. Zwei bleiben immer im Bett und der dritte bedient die beiden Faulenzer. Nachdem der Kaffee getrunken ist, schläft man nochmals bis halb neun, neun Uhr. Danach ziehen wir uns an, um zu Messe zu gehen. Es gibt da eine Kirche, es ist ein Kloster, 500 Meter von der Baracke entfernt.

Haarlaß heute  und hinten rechts Stift Neuburg am Neckar
Die Messe ist ganz genau wie bei uns, die gleichen Lieder, die gleichen Handlungen, aber was unterschiedlich ist: nur die Mönche singen, die Gemeindemitglieder sind still. Sie singen auch die Lieder nicht mit, das ist alles auf Latein. Es gibt ganz schön viele Gemeindemitglieder zu den Messen, fast alle sind Frauen, einige wenige alte Männer und vier oder fünf Soldaten und ein oder zwei kleine Kinder. Das ist traurig, und deshalb sind die Zeremonien nicht so schön wie bei uns. Ich bin einmal zur Messe nach Ziegelhausen gegangen, da gab es nicht mehr Kinder und in der Kathedrale in Heidelberg [= Heiliggeistkirche] ebenso, viele Frauen beten für ihre Männer, ihren Verlobten, ihren Sohn, der irgendwo an der Front gefallen ist. Dann kommt die Predigt, die für uns völlig unverständlich ist, und beim Credo macht ein guter alter Mönch den Abschluss mit einer Art violetter Mütze, die mit Goldstickereien eingefasst ist und an einem etwas zwei Meter langen Stock befestigt ist. Damit ist er in der Lage den Stab den Leuten zu reichen, die am Ende der Bank sitzen. Denn das ist eine kleine Kirche, die nur einen zentralen Gang besitzt. Zur Kommunion, die alle Sonntage bei der großen Messe stattfindet, kommen viele Menschen, sogar die Männer, Soldaten, nie habe ich ein einziges Kind gesehen. Ich habe  bis zu 30 Kommunionen gezählt, [wo ich dabei war]. Nach dem Ende der Messe kehre ich mit den Kameraden zur Baracke zurück, ich rasiere die wenigen Faulpelze, die in der Bude bleiben, und wir gehen ins Hotel für die Mittagssuppe.
Am Erscheinungsfest bin ich nicht bei der Messe gewesen, ebenso an einem anderen Sonntag, als ich den „Großvater“ besuchen ging, der uns eingeladen hatte, einen Spaziergang zu ihm zu machen.
Nach dem Mittagessen bitten mich die Kameraden ihnen ein Lied zu spielen auf dem Klavier, das in unseren Saal steht, wo wie essen. Ihre Wünsche werden erfüllt, denn ich möchte nichts anderes als ihnen Freude zu machen, damit ich gut mit allen stehe. Am Nachmittag macht jeder, was er will. Aber ich versichere, dass es nicht gut ist auszugehen, denn bei den Luftalarmen muss man unter Androhung von Strafen in die Luftschutzkeller gehen. Ich mag es lieber, in der Baracke zu bleiben, als einige Stunden lang, -das kommt vor, - in ihren Kellern eingeschlossen zu bleiben. Also benütze ich den Sonntagnachmittag, um mein Tagebuch zu schreiben oder an Kameraden zu schreiben, die hier in Deutschland arbeiten, Albert Masson und mein Cousin Marcel Vouaux.1 Andere spielen Karten [bourre]. So hat Paul Georges von Pettonvilles am letzten Sonntag an einem Nachmittag 850 Francs gewonnen. Aber in der Woche darauf hat er weitergespielt, und die 850 Francs sind verschwunden, wie sie gekommen sind. Dieses Spielen ist ein richtiges Diebs-Spiel, so sage ich und ich glaube, dass das die Wahrheit ist, wenn man die Scheine auf dem Tisch sieht, könnte man meinen, das sei ein Haufen Abfallpapier. Man muss diese Männer gesehen haben, wie sie verrückt sind vor diesen Geldscheinen, sie sind wir wirkliche Bankier, die sich gegenseitig bestehlen wollen, und das manchmal stundenlang. Manche würden sogar das Essen verpassen, wie wir sagen, um stattdessen zu gewinnen oder das verlorene Geld zurückzuholen.
Es gibt aber auch andere. Zuerst Toilette machen, dann das Spiel, und da wir nur den Sonntag haben, um die Wäsche zu machen, muss man ihn zum Waschen benutzen, um ein wenig Toilette zu machen. Das ist eine schmutzige Schar hier, vor allem da wir das nicht gewohnt sind. Wir bräuchten nötig eine kleine Frau für diese Arbeit. [...] Vor allem das Flicken zählt dieser Tage, man muss die Arbeitsanzüge gesehen haben, das ist ein Witz. Einigen von den Kameraden ist es gelungen, im Dorf eine gute alte Frau zu finden, die ihnen diese Arbeit gerne gemacht hat. So wie Bernard Godée, er ist sehr geschickt in allem, was er braucht.  Man muss auch sagen, dass wir an einen guten Ort gekommen sind, die Leute sind sehr freundlich und sehr sympathisch uns gegenüber. Es gelingt uns  Brot oder Wurst zu bekommen, manchmal sogar Kartoffeln, die dazu dienen die tägliche Ration voll zu machen oder gar zu erweitern.
Das ist nicht alles: Gegen vier oder fünf Uhr, wird der Herd mit Holz bestückt und dann beginnt das Kochen. Einer oder zwei Töpfe sind da, einmal mit sehr heißem Fett, um einige dicke Kartoffeln, die wir sehr fein geschnitten haben, zu braten. Zwanzig Minuten danach sind die Vielfraße um den Tisch herum dabei, ihre goldgelben pommes frites zu genießen, leider nicht in vollem Fett gebacken, sondern nur mit wenig. Schließlich müssen wir uns mit diesem bisschen zufrieden geben. Wir müssen daran denken, dass es andere Kameraden gibt, die viel unglücklicher dran sind. Diejenigen, die keinerlei Kartoffeln oder Fett haben, müssen sich damit begnügen ein wenig ein Vesper zu machen nach ihrem Geschmack: ein gegrilltes Brot mit ein wenig Butter oder vielmehr Ersatzmargarine. Oder wenn das Hotel Eis ausliefert, profitieren wir davon und ein oder zwei Kameraden holen bis zu 24 Eis für die Kameraden, die in der Baracke bleiben. Das sind immer die gleichen.... Man muss sagen, dass man für 45 Pfennig etwas hat, obwohl man nicht viel dafür bekommt.
Es kommt die Zeit acht Uhr abends, die Stunde der größten Sorge für alle, wir müssen essen obwohl es Sonntag ist, und weil es Sonntag ist, ist man mehr als an allen anderen Tagen. Also verlassen alle Jungs, voll beladen mit ihrer Suppenschüssel, mit den beiden Kesseln für die Suppe von morgen Mittag und eingemummt in einen dicken Schal, die Baracke und begeben sich zum Hotel Haarlass, und die allabendliche Komödie beginnt: Verteilung der Suppe, Kartoffeln und Wurst und Margarine, Marmelade, Weißbrot für den nächsten Tag.  Nach dem Ende der Mahlzeit, wenn ich nichts zum Arbeiten habe, - denn man muss den Saal sauber machen – spiele ich ein kleines französisches Lied auf dem Klavier, um die Kameraden zu unterhalten und um den Trübsinn zu bekämpfen, obwohl der selten ist. Danach gehen wir in die Bude zurück, beladen mit den Eimern voll Kaffee und der Suppe für morgen.
Die Kartenspieler vereinen sich wieder um den Tisch und werfen ihr Geld auf die Decke und im voraus ( pour la bourre, la belote et la ferme). Manchmal haben wir Besuch von einem französischen Kriegsgefangenen, der bei einem Bauerrn in Ziegelhausen arbeitet. Das ist ein richtiger Kasper, wie man bei uns sagt: „ er könnte einen Haufen Kieselsteine zum Lachen bringen“. Ach, man muss sagen, er kennt so viele Witze und Geschichten und Tricks. An einem Sonntag hat er uns eine gute Flasche voll Most gebracht. Wir haben ihn geteilt, jeder hat fast ein Viertel bekommen, wir haben ihn erwärmt und gezuckert und jeder hat seine Portion auf das Wohl des Wohltäters getrunken. Es wird halb elf, Edmond, das ist sein Name, verlässt uns, indem er jedem die Hand drückt, und wir gehen schlafen.































Der Weiler Pettonville liegt etwa 6 km westlich von Jean Vouauxs Heimatort St.Maurice.




























Einige gemeinsam begangene Feste

Weihnachten
Was wir immer wieder zu sagen pflegen: „Wir sind nicht lange fort, wir werden an Weihnachten zurück sein.“ Aber leider haben wir uns damit sehr getäuscht. Da das so war, konnte wir sehen, wie die Weihnachtsfeiertage in Deutschland verliefen.
Einige Wochen vor den Feiertagen, vor dem Weihnachtstag, liefen alle in den Wald, um Tannenzweige abzuschneiden, damit sie eine oder zwei Kränze machen konnten, die im Hauptraum des Hauses aufgehängt wurden. Ich weiß nicht, was das bedeutet. Sogar in den Kirchen gibt es welche, manchmal an jedem Leuchter. Schließlich  sagt man ja: Andere Länder, andere Sitten. Wenn ich mich recht erinnere, macht man das drei Wochen vor Weihnachten.
Also Weihnachten. Einige Tage vorher hält auf dem Dorfplatz ein Wagen beladen mit kleinen Tannen, und jeder kommt, um seinen Tannenbaum auszuwählen, die für den Festtag geschmückt wird. In jedem Haus steht ein mehr oder weniger geschmückter Tannenbaum. Ich habe sogar Einwohner der Stadt Heidelberg auf dem Fahrrad herkommen sehen, um ihren Baum zu kaufen, andere gehen sogar welche im Wald aussuchen: „Sie haben die Auswahl.“ Und dann am Weihnachtstag selber, das ist eine wahre Freude, eine der größten Fest des Landes. In den Straßen sieht man jedes Kind, das aus einem Haus herauskommt, mit irgendeinem Spielzeug in der Hand, einer Zelluloidpuppe, und anderen holzgeschnitzten Gegenständen. Und am Heiligabend sind beim Bäcker nur ein Krieg von Frauen oder jungen Mädchen, die auf ihre Kuchen oder Torten warten, die sie zum Backen hergebracht haben.
Das ist für die Zivilbevölkerung, aber für uns war das Fest nicht allzu anregend.

Wir sind am Heiligabend von der Arbeit heimgekommen. Wie gewöhnlich haben wir mit den Augen das Konfekt verschlungen, das [in den Ziegelhauser Geschäften] an unseren Nasen vorbeizog. „Oh schau das an und das, du wirst keinen Krümel davon bekommen! Sei zufrieden seine Form und Farbe ansehen zu können!“
Die Zeit des Abendessens war um eine Stunde vorgezogen worden. Um sechs Uhr abends, nachdem wir uns gewaschen und gekämmt haben, gehen wir zum Essen. Wir kommen in den Saal, der von  Kameraden, die nicht zur Arbeit gegangen waren, schön geschmückt worden ist: Eine Tanne inmitten des Raums, drei Sträuße mit Zweigen waren auf den Tischen, und Tannenzweige waren an den Wänden aufgehängt. Das war wirklich wunderbar für uns übrigen, denn angesichts unseres Alltagstrotts war das etwas anderes.
Der Hotelchef  bewirtete heute sein ganzes Personal mit einem kleinen Weihnachtsessen [nebenan]. Für uns hat er eine Flasche Schnaps ausgegeben. Das ist sehr geizig von ihm, denn wie es scheint, ist er mit einer so kleinen Pulle nicht sehr in Schenkerlaune.
Und das ist unser Abendmenü, fast das gleiche wie üblich:  Die normale Suppe, Pellkartoffeln und ein Stück Wurst mit einigen Karotten, die nicht gar waren und einige Gurkenrädchen, die in irgendeinem Sud konserviert waren.
Dann gehen wir wieder zurück in unseren Stall, die Kameraden beginnen wie gewöhnlich mit ihrem traditionellen Kartenspiel, und ich beginne ein kleines Heiligabendessen für einige Kameraden vorzubereiten: Paul Chanel, Marc Mangeol, Gilbert Couturier, Gaston Bourgine und die drei Unzertrennlichen. Gilbert Couturier hatte in einer Metzgerei eine Wurst gefunden, eine mildtätige Person hatte ssie ihm überlassen, das vervollständigte also das Menü. Die geschälten Kartoffeln, die Karotten und eine kleine Rübe. Da kommt die Stunde der Christmesse. Wir machen uns fertig, dorthin zu gehen, leider gibt es viele, die nicht mitwollen, und um halb zwölf begeben wir uns durch eine sehr klare und kalte Nacht zum Kloster.
Die Kameraden fanden die Zeit lang, bis wir zurückkehrten, glücklicher Weise waren sie geistesgegenwärtig genug, um unser Gemüse zu kochen. Als ich zurückgekommen bin kochten die Gemüse schon, und sofort habe ich begonnen, sie auf meine Art zuzubereiten. Nachdem die Gemüse gekocht sind und in die Suppe, ich zerdrücke die Kartoffeln, um damit eine gutes dickes Püree zu bekommen. Da jeder, der am Essen teilnimmt ein Teil des Fettes beigesteuert hat. Ich habe die Wurst in Rädchen geschnitten. Und als ich Holz für den Hotelier gebracht hatte, da hatte der mir auch ein Stück Wurst gegeben, die nun ins Fett hineingegeben worden ist wie das andere. Schöne gebratene Zwiebeln kommen über das Püree und ebenso das Fett, in dem ich die Wurst angebraten hatte. Und so kann das Essen beginnen. Es wurde mit einem guten Apfelmost begossen, den unser Forstbeamter gegeben hat.
Nach beendeter Mahlzeit fangen die Kartenspieler wieder an, und das geht bis zum nächsten Morgen. Auf der Seite sind einige Kameraden ins Bett gegangen, alle anderen verbringen die Nacht beim Spiel oder beim Lesen. Aber um 7 Uhr morgens gehe ich schlafen, nachdem ich den Kaffee getrunken habe, in der Absicht nicht vor Mittag aufzustehen. Aber ich habe auf einmal beschlossen, doch in die Messe zu gehen. Und um neun mache ich mich fertig für die Messe um halb zehn. Der Tag ist vergangen wie ein sonst ein Sonntag. Aber am Abend sollte die Ruhe nicht fortdauern.
Als ich am abend auf dem Bett meines Bruders sitze, bricht ein kleiner Streit aus zwischen zwei Kameraden in der Baracke: André Brunet und Paul Chanel. Die anderen Kameraden spielen noch Karten,  das war nach dem Abendessen. Brunet machte sich gerade fertig, um ins Bett zu gehen, als unter den Spielern eine Diskussion ausbricht, ohne Bedeutung; es gab Diebe im Quartier, und ich glaube, dass das Pierre Zabel auf Pettonville war, der seine Portion Margarine vermisste, da  war der Faden eingefädelt im Nadelöhr, stand Chanel auf und wie gewöhnlich redet er auf eine vorschnelle Art, er verdächtigt Brunet Zucker aus dem Lokal weggenommen zu haben und die Brotmarken behalten zu haben, die ein sehr liebenswürdiges junges Mädchen für die zwei jüngsten des Lagers mitgebracht hatte. Dann wollte er außerdem wissen, wie viele Brotmarken es gab, die Edmond uns gegeben hatte. Denn er war uns besuchen gekommen mit einer Freundin, um bei uns den Abend zu verbringen. Beim Weggehen wollte er uns eine kleine Freude machen, Beweis seines guten Herzens, und gab uns einige Brotmarken. Da nun Chanel kein Vertrauen in Brunet hatte, redete er herum, geht in schlechter Absicht so weit, dass er Brunet als Dieb bezeichnet.
Brunet nimmt das nicht auf die leichte Schuler; er geht auf Chanel zu, und als der nicht nachgibt, verpasst er ihm eine schallende Ohrfeige. Channel bricht zusammen, wankt auf seinen Beinen und schreit: „Oh, oh, oh! Der Henker, Bandit, töte mich, auf! Töte mich!“ Als Gaston Bourgine ihn auf seinen Beinen schwanken sieht, stützt er ihn zusammen mit meinem Bruder. Paul jammert weiter. Gaston sagt zu ihm: „Geh ins Bett,  Paul, dann geht es dir besser!“  „Mein Gebiss, sucht mein Gebiss, es ist herausgefallen, ich weiß nicht wohin!“ schrie Chanel, der dranging seinen Gegner mit allem zu bewerfen, was ihm in die Hand fiel, er griff sogar nach einem Beil. Während dem haben, als die Schlägerei losging, alle Kartenspieler ihr Spiel verlassen und sind bereit sich auf die beiden Streitenden zu werfen, um sie zu trennen, falls der Konflikt weitergeht. Das war ein richtiger Schrecken an diesem Abend im Stall. Da ist Chanel inst Bett gegangen, und gleich gingen  neben den Betten mancher Kameraden die kleinen Gespräche los: „Chanel war zu vorschnell. Er hätte besser geschwiegen. Brunet hat vor niemandem Angst mit seinen breiten Schultern“ oder „Nun wird es keine Diebstähle mehr im Lager geben, das wird allen als Lehre dienen.“ Und ich glaube wirklich, dass das in Wahrheit so war, denn seit diesem Tag beklagt sich niemand mehr darüber, dass ihm etwas geklaut worden ist.

Neujahr 1945
Dieses Fest ist gut verlaufen. Am Vorabend, das heißt, am 31.Dezember 1944 haben wir uns nach der Rückkehr von der Arbeit gewaschen, sind hinübergegangen zur Suppe wie gewöhnlich, und wie gewöhnlich neue Ausgabe [der Portionen]. Nach der Rückkehr in die Baracke wird das Kartenspiel wieder in Gang gesetzt, andere schreiben an ihren Freund. Ich habe an Albert Masson geschrieben. Um Mitternacht, die Stunde war mit Ungeduld erwartet worden, war die Baracke einige Minuten lang erfüllt von Rufen, Lachen, in einem Wort ein richtiges Tohowabohu, in diesem Lärm hört man einige deutliche Worte: „Vielen Dank, ich wünsche dir das gleiche“. Die, welche geschlafen hatten, die mitten in schönen Träumen waren, sind schnell geweckt worden durch die Heranstürmenden, die sie plötzlich aus dem Schlaf reißen. Die Halbwachen rufen ihnen mir heiserer Stimme zu: „Ein gutes neues Jahr, gute Gesundheit und baldige Rückkehr in unsere Heimat!“ Ach ja, das ist es, was man sich im Grunde wünsche und ich hoffe, dass das sehr bald geschehen wird.
Abgesehen davon ist das Neue Jahr nicht glücklicher, nicht fröhlicher gewesen. Am Morgen selber haben wir unsere Neujahrswünsche dem Hotelchef präsentiert, der uns ganz einfach gedankt hat. Zu Mittag lässt er uns statt der Weißbrötchen des Vortags ein Stück Rhabarberkuchen austeilen, auf dem eine dünne Sahneschicht verteilt ist. Das ist nicht so viel wert wie unsere „tarte“. Ach wann werden wir wieder dieses so feine, so duftende und wohlschmeckende Blätterteiggebäck essen! Aber gedulden wir uns!
Ich komme noch einmal auf Weihnachten zurück, denn ich will eine kleine Beschreibung der Krippe geben, die ich im Kloster gesehen habe.


Das ist bewunderswert und  ergreifend zu sehen. Das ist eine einfache Krippe, ohne großen Luxus, aber ziemlich hübsch, denn sie ist aus dicken Stücken von Tannenrinde gemacht. Die Krippe allein hatte ungefähr eine Länge von 1 m 20, ein Breite von 80 cm und ungefähr eine Tiefe von 70 cm, überwölbt von einem Strohdach, auf dem ganz oben ein Goldstern seine Strahlen über die ganze Landschaft schickte. Im Hintergrund des Stalls aus einer kleinen Luke steckten Ochs und Esel ihre Köpfe, um aus einer Traufe Heu zu fressen und um das Jesuskind zu wärmen. Dieses lag in einer kleinen Wiege, die mit frischem Stroh belegt war. Dieses Lager war eigenhändig von den Mönchen gemacht worden. Direkt neben dem Kind, betete Maria mit gefalteten Händen, einen großen blauen Seidenschleier auf dem Kopf, und zu ihrer Rechten, vor den Tieren betrachtete Josef diesen Neugeborenen, seinen Schäferstab in der Hand. Alle diese Figuren stehen auf einem Holzboden mit einer Steinimitation. Das ist das Innere der Krippe.
Außerhalb zur Rechten führt eine kleine Holztreppe sicher in einen unsichtbaren Speicher. Zu diesem schönen, im Übrigen sehr rührenden Schauspiel, kommt eine ganze Schar von Personen und Tieren, um den Sohn Gottes anzubeten. Vor allem die Hirten, hübsch gekleidet in kurzen Röcken und kurzen Hosen in dem normalen Stoff und sechs oder sieben Schafe, die ihnen folgen, während sie hier und da an der leicht geschotterten Straße einen Grashalm abfressen. Um zum Stall zu kommen, steigen die Anbetenden über eine kleine Treppe von ungefähr vier oder fünf Stufen empor, die sozusagen in den Felsen eingetieft sind. Hier und da ist ein Baum eingepflanzt. Dieser Baum ist ein einfacher Blumentopf, in dem irgend etwas Grünes wächst. Ganz am Ende dieser liebreizenden Landschaft leuchten fünf Nachtlichter.
An Epiphanias war die Krippe noch hübscher. Die Heiligen drei Könige kommen an auf einem Weg, der aus einem Wald mündet, einer hinter dem anderen, ihr Geschenk in der Hand. Diese Männer werden von einem wunderbaren Kamel begleitet, das ungefähr 40 cm groß ist und von einem Neger mit dicken roten Lippen und schönen weiß glänzenden Zähnen geführt wird. Man hätte sagen können, dass alles real  war. Diese Heiligen drei Könige mussten einen kleinen Hang hinaufsteigen, um dem Gottessohn das Gold, den Weihrauch und die Myrrhen darzureichen. Die Krippe selbst war anders gestaltet. Das Jesuskind war nicht mehr in der Wiege, es war gewachsen, es saß auf den Knien seiner Mutter, die selber auf einer kleinen Bank mit Rückenlehne ruhte. Ihre prächtiges blaues Kleid breitete sich ganz um sie herum. Josef kniete nicht mehr, er wendetet sich gegen die Gruppe, er lud sie ein zu kommen, um vor dem Sohn Gottes anzubeten.
Es war ebenso anrührend, wenn man diese hübsche Darstellung anschaute.
Ich hätte sehr gerne andere Krippen gesehen, sei es in Ziegelhausen, sei es in Heidelberg, aber nie hatte ich Gelegenheit dazu, entweder war das Wetter zu schlecht oder zu kalt, also blieben wir in der Baracke.

 

Nach dem Adressbuch war der Hotelbesitzer Carl Pirsch, Chef des Parkcafés und des Hotels.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kloster Neuburg

 

 

 


Die Sitten der Einheimischen

Was das betrifft, so sind wir in ein Land verpflanzt, wo es wirklich den Franzosen gegenüber brave Leute gibt. Wer in unserem Lager kennt nicht eine Person im Dorf, die ihm nicht schon einmal ein Stück Brot mit Wurst gegeben hat oder Butter oder irgendein Kleidungsstück?
Vor allem Auguste George und Gilbert Couturier waren dafür bekannt, dank einer Vermittlung ihres Wachmanns. Sie gingen jeden Sonntag bei diesem Mann arbeiten, er hat ihnen ein bescheidenes Mittagessen gegeben, ein gutes Vesper um vier Uhr, ein Abendessen und nicht genug damit, hat er ihnen Kartoffeln, Zigaretten und Brot zum Essen in der Baracke. Und sie gehen jeden Sonntag dort arbeiten. Es scheint, dass das ein alter reicher Mann ist, der zum Wohnen in eine seiner Besitzungen nach Ziegelhausen gekommen wegen der schrecklichen Bombardements in Mannheim.
An einem anderen Tag, als die beiden Mannschaften den Schnee auf dem Friedhof beiseite fegen, fragt mich eine Frau auf deutsch, ob wir Franzosen oder Russen seien. Ich antworte: „Franzosen“. Da befragt sie mich kurz: „An welchem Wochentag habt ihr frei?“ Ich antworte, dass da nur der Sonntag ist.  Da lädt sie mich ein, ihre Möbel aus einem Hotel in ein kleines Landhaus umzuziehen. Ich habe das angenommen. Aber am folgenden Sonntag mussten wir arbeiten. Also habe ich an meiner Stelle Pierre mit André, Georges Jacquot und André Brunet geschickt, die sich für krank ausgegeben hatten. Dennoch wurden sie nach beendeter Arbeit von der Polizei zum Schneeräumen geführt. Als Entschädigung haben sie bekommen einen großen Biskuitkuchen, zum Mittag hat ihnen diese Frau ein Stammessen im Hotel Hirsch bezahlt und dazu noch 15 Mark für die vier gegeben. Das war wirklich anständig für die Arbeit, die sie gemacht haben.
Nach dem Tagebuch von André Ledoux ( Tagebuch Ledoux ) begann die Zeit  des Schneeräumens in Ziegelhausen am 23.1. 1945. Es war sowohl das Kommando Lärchengarten als auch das aus dem Haarlaß dabei beschäftigt.

Was mich selber betraf, so habe ich eine sehr mildtätige Person gefunden, die mir schon ein paar schöne Socken als Geschenk gemacht hat. Auf folgende Weise habe ich sie kennen gelernt:
An einem Sonntag, als ich zur Messe gegangen war, stand ich vor der Krippe, als eine große, gut gekleidete Dame an mich herantritt und mich auf deutsch fragt, ob ich Franzose sei. Ich antwortete mit ja. Da sagt sich mit, dass ich mich am nächsten Abend um sechs Uhr bei dem Krämer Schneider einfinden sollte. Am Montagabend, wartete ich vor dem bezeichneten Haus bis halb sieben. Als ich einsah, dass niemand kommen würde, kehre ich in die Baracke zurück und frage mich, warum sie nicht wie versprochen gekommen war.  Endlich kurz gesagt: einige Tage später begegne ich ihr in der Straße, sie entschuldigt sich, dass sie nicht zum Kaufladen gekommen war,  weil sie krank geworden war. Dann schiebt sie mir heimlich Lebensmittelmarken für ein Kilo Brot und für 50 g Fleisch zu. Ich danke und gehe weg.
Acht Tage später, als ich in die Klinik ging, begegne ich dieser Frau von neuem, sie bittet mich, ihr einen kleinen Dienst zu erweisen. Ich sage zu. Es ging darum, zu einer anderen Frau zum Holzsägen zu gehen, deren Mann Soldat ist. Am nächsten Tag gehe ich zu dieser Frau, welche die großzügige Dame mir genannt hatte. Als ich ankomme zeigt mir diese Frau die Arbeit, die ich an diesem Tag zu tun hatte. Als ich mich ans Sägen machte, lädt sie mich ein, erst eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich folge ihr in die Küche, wo ich mich vor eine Tasse platziert sehe, die umstellt ist von einem schönen Pfund Butter, einem guten Weißbrot und einem Laib Schwarzbrot, das schon aufgeschnitten ist. Auf dem Herd kocht ein Topf mit Wasser, das war für den  Kaffee und gleich daneben in einem Kessel ein halber Liter nicht entrahmter Milch. Da oben vespere ich, wie ich es schon lange nicht mehr getan habe, und nachdem ich fertig bin, gehe ich zur Arbeit bis halb eins zusammen mit dem kleinen Jungen dieser Frau. Das ist ein sehr liebenswertes Kind, das sehr gerne mit mir plaudern würde; aber wir verstehen uns nicht, leider, außer einigen Worten, die mir einigermaßen bekannt waren. Zum Mittagessen an diesem Tag hat man mir ein gute, sehr dicke Bohnensuppe serviert, ungefähr vier oder fünf Teller (ich musste das nicht zählen) und danach einen guten Schokoladenpudding, über den man noch einige Löffel Johannisbeersirup gab. Das war wirklich ein Essen der königlichen Art für mich. [...] Am Nachmittag habe ich weiter gesägt, gespalten und das Holz aufgeschichtet. Als es fünf Uhr war, ich war gerade fertig geworden, ruft mich die Hausherrin zum Vesper. Wie schnell die Zeit vergangen war!
Ich verlasse die Arbeit und gehe in die Küche. Wieder befinde ich mich vor einem ebenso gut gedeckten Tisch wie am Morgen. Geschnittenes Schwarzbrot in ein Körbchen gelegt, daneben einige Scheiben Weißbrot, der Anteil einer Großmutter. Ein Marmeladenglas gefüllt mit Konfitüre, in welche ein kleines rotes Hornlöffelchen steckte, stand neben dem Korb und vor jedem Platz die traditionelle Kaffeetasse, das ist keine Tasse, das ist eher eine Schale. Außerdem habe ich neben der Untertasse einen Dessertteller, mit einem Tischmesser, um das Brot zu holen und zu schneiden. Wahrlich, ich befand mich wie ein König im Vergleich zu unserem Fraß und dem Hotel Haarlass. Nachdem ich fünf oder sechs Scheiben gegessen habe, die die Hausfrau mir angeboten hat und zwei Tassen Milchkaffee getrunken habe, fühle ich dass in meine Tasche ein Päckchen Zigaretten gleitet. Ich wurde verpflichtet, das anzunehmen. Beim Weggehen fragt mich diese Frau, an welchem Tag ich wiederkommen kann. Ich habe ihr gesagt, dass ich es ihr am Tag zuvor ankündigen werde.
Tatsächlich gehe ich am nächsten Dienstag zu ihr, um zu sagen, dass ich am folgenden Tag nachmittags kommen werde. Am Mittwochmorgen bin ich zum Zahnarzt gegangen, danach bin ich in die Baracke zurück zum Mittagessen und um Viertel vor zwei komme ich zu meiner Wohltäterin. Darauf eingestellt, das Holz zu sägen, muss ich vorher die Suppe essen und einen guten Teller voll Kartoffelbrei mit Sauerkraut und einem Stück Fleisch. Ich weiß nicht, wie ich danken soll. Nach beendeter Mahlzeit arbeite ich bis fünf Uhr, die Stunde des Vespers, was dasselbe war wie beim ersten Mal. Danach hat sie gefragt, um wie viel Uhr es Suppe im Hotel gab, und da das erst um sieben Uhr war, schaffe ich noch den Schnee weg, der einen Abfluss verstopft, bis es Nacht ist, und bevor ich aufbreche macht sie mir ein Paar Wollsocken zum Geschenk, vielmehr sind es Strümpfe, denn sie gehen bis über die Knie. Beim Abschied haben diese Frauen mir gesagt, dass ich wiederkommen soll. Das werde ich machen, aber ich weiß nicht, wie ich dieser wohltätigen Familie danken soll.
Ich sollte am nächsten Nachmittag wiederkommen, aber ich bin krank geworden und muss im Bett bleiben. Aber sobald ich gesund bin, gehe ich sie besuchen oder vielmehr gehe ich, um ihnen zu helfen.
[...]
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Im Februar 1945
In dieser Woche vom 4. bis 11. Februar nicht so außergewöhnliche Dinge. Ich habe in der Woche nicht gearbeitet, ich bin im Bett geblieben bis neun oder zehn Uhr, machte die paar Arbeiten, die zu tun waren, ich machte die Wäsche  und die Besorgungen, die ich zu machen hatte. Gestern am 10.Februar, bin ich nach Heidelberg gegangen, um Geld von der Krankenkasse zu holen. So habe ich für acht Tage Arbeitsruhe 13 RM 70 Rpf bekommen. Danach, nachdem ich zurückgekommen war, habe ich die Suppe aufgewärmt und einige Karotten gemacht und einige Lieder geschrieben bis zur Abendsuppe.
Heute am Sonntag: besonders Interessantes. Drei Kameraden sind los, um bei Privatleuten in Ziegelhausen zu arbeiten. Am Morgen, nachdem ich mit Pierre und Jean Philippe in der Messe gewesen und kommuniziert habe, haben wir die Karotten gemacht, wir sind zur Suppe gegangen und um Nachmittag sind machen Kameraden in die Stadt gegangen, während die anderen ihre traditionelle Partie Karten spielen oder schreiben. Das war's, so verging der Tag bis zum Abend.
In der Woche vom 11. bis 18. Februar  ist alles normal verlaufen. Welch herrliches Wetter! Es ist herrlich, um im Wald arbeiten zu gehen. Das ist eine wahre Freude. Die Heimkehr am Abend ist ein Spaziergang, klick-klackend [mit den Holzschuhen] kommen wir ruhig an der Baracke an, atmen tief die reine Luft und die Frische der Natur. Das Leben ist eben viel schöner, als wenn es regnet.
Manchmal sind bestimmte Kameraden eingeladen worden von guten Leuten aus Ziegelhausen, sei es zum Essen, zum Kaffeetrinken oder sogar, um einen Schnaps zu probieren. Auch die Flugzeuge profitieren vom schönen Wetter, um einen kleinen Rundflug über Deutschland zu machen. Der Flecken nebenan hat einige Beschießungen durch MGs erlebt, ebenso wie Schlierbach.
Eine Lokomotive, die von Neckargemünd her verfolgt worden war, wurde bombardiert. Von zwei Bomben, die aus einem kleinen Jagdflugzeug geworfen worden sind, ist die eine direkt auf die Schienen gefallen, die andere auf ein Haus, das sie vollkommen zerstört hat. Was die Lokomotive betrifft, sie ist auf die Straße umgestürzt worden, die Räder in der Luft. Die Schienen sind auf eine ziemlich lange Strecke herausgerissen. Das ist am Freitag geschehen. Ich hatte die Arbeit verlassen, um zum Zahnarzt zu gehen, und da ich krank geschrieben war, bin ich zum Essen in die Baracke zurückgekehrt. Die Flugzeuge kamen genau um zwölf Uhr, ich habe Zeit gehabt, die Ereignisse zu beobachten.  Am Nachmittag bin ich Holzsägen gegangen zu der guten Frau, Mme Bückle. Immer das gleiche bei ihr: nicht viel zu  Arbeiten und reichlich zu essen.
Der Samstag ist ebenso gut verlaufen, wie der vorangehende Tag, aber als ich gegen sieben Uhr in die Baracke zurückkehrte,  - denn ich bin zurückgekommen vom Holzmachen bei Frau Bückle, ich hatte dort zu Abend gegessen und wie ich fertig war, bin ich zum Haarlass zurückgegangen, um die Kamaraden zum Suppenessen zu begleiten, - da höre ich eine Stimme, die mir unbekannt war. Genau in diesem Augenblick fuhr ein  Auto die Straße entlang und diese Stimme sagte oder rief vielmehr: „Halt! Halt!“ Immer mehr näherte sich mir das Geräusch von Schritten. Ich erkannte alsbald die Kameraden, denn das war das Geräusch von Schuhen mit Holzsohlen, und da es kaum andere Leute gibt als uns, die sie tragen, haben sich meine Gedanken ganz auf unsere Gruppe konzentriert. Ich hatte mich nicht getäuscht, aber ich wusste nicht, wer es war. Erst als sie herankamen, habe ich sie erkannt. Es waren René Violle und Jean-Marie Zabel, sie hielten Marc Mangeol an den Armen oder vielmehr sie halfen ihm beim Gehen.... Er war in mehreren Häusern von Ziegelhausen eingekehrt, er hatte in dem einen etwas gegessen, aber in den anderen hatte er getrunken, viel Bier und bei der Brennerei Schnaps und hatte eine Zigarre geraucht. Er war zusammen mit Gilbert Couturier und Pierre Zabel. Danach sind sie zum Haarlass zurückgekehrt. Dort haben sie nochmals einige Gläser Bier und Kaffee getrunken und eine Zigarre geraucht. Aber siehst du wohl, beim Herausgehen hat Marc begonnen sich zu drehen. Er war betrunken. ..

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daraus ergibt sich, dass der Gaststättenbetrieb im Hotel weiterging.


Im März 1945
5.3. bis 11.3.
Was für ein Wetter! Es ist wirklich der Monat Dezember zurückgekommen. Im Wald fällt der Schnee, es liegen schon 10 cm, aber nichtsdestoweniger müssen wir trotzdem arbeiten. Am Dienstag hat man uns dann gezwungen im Regen zu arbeiten, denn der Holzschlag musste fertiggemacht werden. Wir sind durchnässt in die Baracke zurückgekehrt, und wir sind dennoch am nächsten Tag wieder in den Wald hochgestiegen. Von jetzt an fangen wir mit der Arbeit um halb acht an bis zu zwölf Uhr und  von dreiviertel eins bis halb fünf, und am Samstag bis um zwei Uhr nachmittags.
Wir müssen also eine halbe Stunde früher aufstehen und heute, am Mittwoch, haben wir bis im Wald bis um halb acht Uhr abends gearbeitet, denn wir hatten einer Frau namens Mme Schmid versprochen, ihr nach der Arbeit zwei Ster Holz zu schlagen, denn jetzt können wir die Arbeit nicht mehr verlassen ohne eine ärztliche Krankschreibung. Aber wir verlieren dadurch nichts, denn wir werden von ihr sehr gut verpflegt.
Heute am Donnerstag haben wir Glück gehabt, denn der Regen fiel ziemlich stark und war mit Schnee vermischt. Gegen halb elf hat uns unser Chef wegen des Wetters in die Baracke geschickt. Das war wie ein auffliegender Schwarm Sperlinge,als uns André den Befehl übersetzt hat, er musste es nicht zweimal sagen, dieses Mal hat eine Äußerung gereicht, aber wenn er uns zur Arbeit kommandiert, muss er er mindestens zweimal machen.
Am nächsten Morgen, als wir zur Arbeit gehen – das spürt man, wenn man sich am Vortag ausgeruht hat: der Hang scheint nicht so steil zu sein. Außer einigen kleinen Regengüssen ist der Tag schön gewesen und immer waren die Flugzeuge in der Luft. Am Abend gehen wir zu Mme Schmid zum Arbeiten, wir  haben ihre zwei Ster fertig machen wollen, und um halb acht haben wir den Wald verlassen. Was für ein Tag! Wir waren müde. Pierre ist mit uns gekommen an der Stelle von André Brunet, denn er musste zu jemand anderem zum Essen gehen. Was den Samstag betrifft, so arbeiteten wir nur bis ein Uhr mittags. Nach dieser Stunde erschien uns die Zeit lang. Den ganzen Vormittag mussten wir, - wie alle Samstage, - die Sägen mit abgenutzten Feilen schärfen, denn das Forstamt hat keine neuen Feilen mehr: Es verarmt. Nachdem wir die Suppe gegessen haben,  steigen wir um halb zwei  ins Tal hinunter, jeder beladen, die einen mit einem Beil, die anderen mit einem großen Säge.
Sieben Männer wurden bestimmt, damit sie Kleider holen: Estève, François, Chéry, Chanel, Bourgine, Brunet und ich. Wir haben sie im Moment noch nicht bezahlt, denn der Chef wusste den Preis nicht. Die anderen Kameraden müssen sie in der folgenden Woche holen. Es wurde sogar gesagt, dass alle ein Paar Schuhe haben müssen. Wir haben eine Jacke bekommen, eine Hose, ein Hemd, ich hab auch eine Mütze bekommen und ein Paar Russische.
Als ich beladen mit meinem Paket zurückkehre, bin ich bei Mme Schmid vorbeigegangen, damit sie mir meinen Regenmantel flickt, denn er hatte es nötig. Sie hat das benutzt, um mich für meine zwei Abende Arbeit zu bezahlen: Ich habe fünf Mark bekommen. Ihr Holz kommt ihr teuer zu stehen, aber das interessiert mich nicht, wenn ich nur zu essen habe. Das haben meine Kameraden und ich jetzt nötig.
Am Sonntagmorgen, hatte ich keine Arbeit, da niemand einen Erlaubnisschein bekommen hat, um sich Holz zu holen. So bin ich im Bett geblieben bis dreiviertel neun. Außerdem war das Wetter allzu schlimm, um zur Arbeit in den Wald zu gehen; es regnete ein wenig, und deshalb sind viele Kollegen im Quartier geblieben, aus Angst, den Tag über durchnässt und danach krank zu werden. Es ist besser da  zu bleiben, um sich zu drücken, das ist nicht mehr die gleiche Sache. Um halb zehn bin ich zur Messe gegangen mit meinem Bruder, Estève und Lambert. Nach der Messe haben uns die beiden Pierre einen guten Löwenzahnsalat gepflückt, um ihn gegen vier Uhr mit einer guten Pfanne Pommes frites zu essen.
Am Nachmittag haben wir den Besuch  von Kameraden aus der Umgebung gehabt, vor allem Jean Cottel und sein Bruder mit Gilbert César. Sie haben uns eine traurige Nachricht überbracht: den Tod eines unserer französischen Kameraden, der allen im Lager bekannt war.  Es handelt sich um den Kameraden Bauer, den ehemaligen Kontrolleur der Lebensmittelkarten. Er ist in einer Waggonfabrik in Kirchheim getötet worden. Die Trosse einer Stütze, so scheint es, hat nachgegeben, und diese Stütze ist ihm auf die Beine gefallen. Beide Beine sind ihm zerschmettert worden und außerdem hat er ein Loch im Kopf gehabt. Der arme Unglückliche ist wenig später gestorben, und die Beerdigung wird morgen um halb drei Uhr nachmittags sein. Wie viele Unglückliche wie er werden nicht das heißgeliebte Frankreich wiedersehen.
Von dieser Woche an werden Einschränkungen spürbar, kein Zucker mehr für den Morgenkaffee, das Brot: wir erhalten zweimal hintereinander einen Laib für drei Tage und ein weiteres Mal einen Laib für 4 Tage. Wir bekommen keine Weißbrötchen mehr, sie werden durch dünne Scheiben Schwarzbrot ersetzt.
Ein Glück, dass wir bei den Privatleuten arbeiten, die uns eine wenige Verpflegung geben, was unsere Ernährung ergänzt, denn wir könnten kaum arbeiten mit dem, was wir im Hotel bekommen. Vor allem der Dicke hat uns gesagt, dass wir mindestens zwei Ster am Tag und pro Kopf machen müssen. Aber wir sind weit davon entfernt, das zu machen. Man tut sein möglichstes, um das zu erreichen. Aber man schafft es nicht. Wenn man seinen fünften macht, dann ist es schön. Wir müssen arbeiten.
Am Beginn dieser Woche habe ich mich geweigert, arbeiten zu gehen. Da ich keine Schuhe mehr habe, habe ich nicht in den Wald gehen  können. Glücklicherweise hat mir der Kamerad Mathouillot die seinen für acht Reichsmark verkauft. Einige Tage später haben wir neue Schuhe bekommen, aber immer noch mit Holzsohlen. In Deutschland müssen sie nichts anderes kennen als das, vor allem für die Ausländer. Es war nötig, dass mehrere Kameraden es so gemacht haben wie ich, ohne das wären wir barfuß zur Arbeit gegangen. Die Chefs hätte nicht gesehen, dass wir nichts hatten. Sie haben nicht als sich gesehen, sie dachten nur an sich. Wir arbeiten nicht mehr im gleichen Schlag. Welcher Unterschied in der Arbeit! Nicht mehr derselbe Weg, haben wir zwei Kilometer weniger  zurückzulegen und alles im Ansteigen und dann über das hinaus ist es eine kleine ruhige Arbeit, all die Bäume, fast alles Eichen von ungefähr 10 bis 20 cm höchstens  im Durchmesser. Für die Menge von ungefähr 50 Ster haben wir  fünfzehn Tage gebraucht und das mit zehn Mann im Maximum. Ich sage Maximum, denn an einem Tag waren es sieben Männer, an einem anderen 12 Männer, nie gab es die gleiche Zahl.
Danach sind wir wieder zurückgekehrt zur Arbeit, das heißt um den Abschnitt, der seit langem begonnen war, zu beenden. Unser Chef spornte uns immer an, so schnell wie möglich zum Ende zu kommen, wie immer mit Versprechungen, die sie nicht einhalten: „Nach dem hier, werdet ihr in eine Baumschule kommen. Dort werdet ihr verpflegt, so wie ihr arbeitet. Ihr werdet selber Lebensmittelkarten bekommen. Ihr werdet damit machen können, was ihr wollt, das heißt, ihr werdet einkaufen können, wie ihr wollt!“ Und wie viele andere Versprechungen noch. Aber er konnte sagen, was er wollte, keiner hat darauf reagiert. Einmal hat er uns da erwischt, da waren wir nur zu zweit. Der arme Ernst konnte uns noch und noch anspornen zur Arbeit, wir machten nicht schneller. Endlich war der Arbeitsabschnitt trotzdem beendet.
An einem Samstag ziemlich früh, ich glaube gegen halb elf, sind Georges Jacquot und André Brunet sind zu einem Platz gegangen, die Münchel heißt , um einen Wagen zu holen, um alle unsere Werkzeuge an diesen Platz zu bringen, denn am Montag danach, mussten wir dort arbeiten, - aber um was zu machen? Ich wusste es nicht, und auch meine Kameraden wussten es nicht. Schließlich haben wir dort [am Samstag] keinen Finger gerührt. Am Montag sind wir auf den Münchel hinaufgegangen, um dort zu arbeiten.
Der Münchel ist ein Ort im Wald, ähnlich wie bei uns der Rouge Vêtu. Dort steht ein schönes kleines Haus mit einigen Schuppen. In dieses Haus begeben sich der obere Chef oder andere Chefs, wenn sie auf die Jagd gehen. Es gibt dort alles, was man braucht für eine Kühe: ein Herd, Töpfe, Löffel, Gabeln, Teller, Suppenschüsseln, sogar Kartoffeln, denn als wir dort arbeiteten, machte uns André Brunet jeden Tag eine gute Kartoffelsuppe.
In den Nebengebäuden war das ganze Gerät für Forstarbeiten magaziniert: Beile, Äxte, Keile, große Säge und Fuchsschwänze. Nebendran ist sogar eine kleine Reparaturwerkstatt, um alle zerbrochenen Stile reparieren zu können.
Die Arbeit war viel interessanter als irgendwo sonst, denn es war eine kleine ruhige Arbeit, man grub Bäumchen in einer Pflanzung heraus, die etwas 60 m von de Häuschen lag, um si dann ein wenig weiter in den Wald zu transportieren. Warum? Wir wissen es nicht. Jedenfalls machen wir diese ruhige, friedliche Arbeit ohne uns groß anzustrengen und vor allem: von Zeit zu Zeit erscheinen Flugzeuge,  beschießen einen Zug, bombardieren eine Brücke. Welche Panik auf der Straße in diesen Tagen, denn die Amerikanern rücken vor und die Evakuierung aller Zivilisten ist angeordnet in Richtung Neckargemünd. Wie viele Unglückliche haben unter diesen Bombardements ihr Leben lassen müssen. Wir beeilten uns in unsere Baracke zurückzukehren, nachdem wir erfahren hatten, dass die Flugzeuge angegriffen hatten.
Nicht alle sind so weit evakuiert worden. Etwa zehn Franzosen haben sich in unsere Baracke geflüchtet, aber die armen Unglücklichen haben kaum was zu essen, sie behalfen sich wie sie konnten. Da uns viele Einheimische um Hilfe gebeten hatten, ihnen Holz zu machen, haben wir sie zu ihnen geschickt, damit sie ein wenig zu essen bekamen. Ein Kriegsgefangener mit Namen Henri Rey schlief in unserem Lager und kam mit uns ins Hotel essen: Man muss sich untereinander ein wenig helfen, vor allem unter Franzosen.


















































Das war Aloyse Bauer. Er wurde bei  Abbrucharbeiten in der Waggonfabrik  Fuchs in Rohrbach tödlich verletzt.

Vgl. Heidelberg-Kirchheim

 

 

 



































Ernst = Ernst Hug


Forsthütte Münchel etwa 1 km vom Lärchengarten entfernt, wo eine andere Gruppe Franzosen arbeitete.











 


Am Ende seines Tagebuchs hat Jean Vouaux alle Kameraden des Haarlaß- Kommandos durch ihre Unterschrift bestätigen lassen, dass er die Ereignisse  während der Zwangsarbeit  angemessen wiedergegeben hat