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Sinsheim |
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Michel Perrin
Geboren 1924 in Raon l'Etape, war 1944 Priesterseminarist,
später katholischer Pfarrer in den Vogesen, lebt heute in Epinal
Zwangsarbeit in Eppingen,
Mühlbach und Sinsheim
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Die Verschleppung
Am 8.November wurde ich mit allen
Männern von Raon l'Etape nach Heidelberg verschleppt. Wir haben
dort eine Woche darauf gewartet, bevor wir wussten, was man mit uns
machen würde. Die Leute mit Qualifikation, die Metzger waren und
andere Berufe hatten, die hat man auf Handschlag zu Heidelberger Metzgern,
Bäckern usw. geschickt.
Wir waren alle in einem großen Basketballsaal, das war etwas
Mittelalterliches, aus Stein, das damals als Basketballspielplatz
diente. Ein Mann konnte in den Fensterlaibungen schlafen, so dick waren
die Mauern. [= Marstall]
Ein Priester namens D’Harréville war mit uns, er war in seiner
Soutane. Ich als Priesterseminarist hatte meinen großen Umhang
mit, das war alles. Der diente mir als Decke.
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Marstallhof
in Heidelberg.
Der linke Bauteil wurde damals als
Turnhalle für die Studenten benutzt.
Dort waren die Männer
und Jungen aus den Vogesen zunächst untergebracht.
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Arbeit in Eppingen und Mühlbach
In Heidelberg wurden wir auf Arbeitskommandos aufgeteilt: erst kamen
wir zu zehnt in Eppingen in eine Chicoré-Fabrik.
Danach kamen wir in
Mühlbach bei Eppingen in den Wald als Holzfäller. Das war für mich nichts
Neues, da es in meiner Familie Waldbesitz gab und ich die Arbeit
gewohnt war.
Das heute nicht mehr existierende Sägewerk Reinig an der Elsenz.
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Arbeit in Sinsheim bei der
Sägerei Reinig
Schließlich kamen wir zu dritt nach Sinsheim in ein
Sägewerk, zur Holzgasfabrikation, bei Reinig einem Nazitreuen. Der
Unternehmer Reinig war ein Regimetreuer, ein wirklicher Nazi, er hatte
ein Hitlerbild in Lebensgröße in seinem Büro
hängen. Und dann hatte ich einen alten Vorarbeiter, der hieß Loidel(?) Hans, der uns beaufsichtigte. Der maulte uns von Zeit zu Zeit
an, aber das war alles. Wir waren alles in allem nicht
unglücklich. Wir arbeiteten im wesentlichen daran, Holzklötze
zu machen für Holzgas - LKWs, das ersetzte das Benzin, welches
fehlte. Mit uns waren Ukrainer, Holländer, die in der gleichen
Baracke am „Bach“ wohnten.
Es gab viel Ungeziefer in den Strohsäcken.
Am Arbeitsplatz waren auch drei französische Kriegsgefangene, die
Seite an Seite mit uns arbeiteten. Sie versorgten uns mit Kartoffeln,
die sie von anderen Kriegsgefangenen erhielten, die bei den Bauern
arbeiteten. Diese Kriegsgefangenen brachten uns Kartoffeln. Sie kamen um
Holzkohle zu holen in der Sägerei, das produzierte man
außerdem: Holzkohle. Die Beziehungen zwischen ihnen und uns waren
sympathisch und entspannt.
Die Arbeit war um die sehr häufigen Luftalarme herumorganisiert.
Der Arbeitstag war lang, von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr. Aber wir waren
in frischer Luft. Der Chef und der Vorarbeiter haben uns oft angeschrien, aber es gab
keine Schläge.
Im Winter hörten wir die Kanonen in Richtung Elsass...
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Verpflegung
in Sinsheim
Die Mahlzeiten nahmen wir im „Schwarzen Bären“ am Ortseingang von
Sinsheim ein, morgens, mittags und abends. Wir gingen also auch zum
Frühstück in die Wirtschaft. Dreimal am Tag gingen wir hin zum Essen.
Rest der Lebensmittelmarken von Herrn
Perrin für Ende März 1945. Die Wochenkarte für ausländische
Zivilarbeiter war ausgestellt für das Gasthaus "zum schwarzen
Bären", Sinsheim
Das waren ein wenig solche Mahlzeiten wie,- so habe ich habe damals
gesagt -, Jockeymahlzeiten: Man muss sehr leicht und dünn
bleiben. Die Grundlage der Nahrung war eine mehr oder weniger dicke
Suppe. Wir bekamen noch einige Brotmarken außerdem.
Die Nahrungsversorgung war also eher
kärglich, aber die Unterstützung der Kriegsgefangenen
ergänzte das.
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Mit mir zusammen waren zwei aus Raon, einer der jünger war, ich
weiß seinen Namen nicht mehr. Beide haben Raon l’Etape nach dem
Krieg verlassen. Der andere, Gauchet, hatte in meiner Straße
gewohnt. Er war viel älter als wir zwei andern. Der Junge war der
Sohn aus einem Geschäft für Haushaltswaren, das lag in der
Hauptstraße von Raon. Da stieg man eine kleine Treppe hoch. Er
hatte gerade die Schule beendet, als er deportiert wurde.
Kontakte mit
Deutschen
Ich war katholischer Seminarist, ich bin also mit meinen Kameraden zu
einem Treffen mit dem katholischen Priester von Sinsheim gegangen, der
uns wie Brüder empfangen hat. Die gleiche Mitmenschlichkeit
zeigte er gegenüber zwei ausgebombten Familien aus Mannheim, die
in seinem Pfarrhaus wohnten.
Um 18 Uhr, nach der Arbeit, läuteten wir am Pfarrhaus und gingen
danach mit dem Pfarrer zur Kirche. Unterwegs gab er uns die neuesten
Nachrichten von Radio London. In der Kirche gab er uns in der Kommunion
die Hostie. Er hat die große Gefahr auf sich genommen, indem er
mit uns so wenig empfohlenen Leuten durch die Straßen gegangen
ist. Er hat mir eine Bibel und einige Bücher geliehen.
Nach dem Krieg habe ich ihn im Schwarzwald wiedergesehen, wir waren
glücklich uns wiederzusehen.
Zu Herrn Richert hatte ich keinen Kontakt, aber ich hatte Kontakt zu
einem Arzt, der Elsässer war und in Sinsheim wohnte: Eines Tages
hatte ich keine Lust zu arbeiten, ich hatte einen starken
Rückenschmerz, also ging ich zum Arzt, um einmal arbeitsfrei zu
haben. Also unterhielt ich mich mit diesem Elsässer, der sehr gut
französisch sprach. Ich habe meine Rückenschmerzen vergessen.
Er hat zu mir gesagt: „He, he, war ist mit Ihren Rückenschmerzen?
Ich habe geantwortet: „Die sind Teil unserer Lebensweise hier.“
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Befreiung
An Ostern 1945 sind wir befreit worden. Für die Heimkehr haben wir
ein „Wägele“ beschlagnahmt, auf den haben wir unser Gepäck
gelegt und eine kleine französische Flagge, und dann sind wir zu
Fuß losmarschiert Richtung Westen, Richtung Rhein.
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In der Nähe des Rheins sind wir dem
General De Lattre de Tassigny persönlich, der an der Spitze einer
Fahrzeugkolonne gefahren ist. Er hat anhalten lassen und uns einen LKW
zugeteilt. Denn wir mussten irgendwie über den Rhein kommen, und
die haben uns nach Speyer gefahren. |
André Richert
Geboren in Nürnberg.
Er stammte aus dem Elsass und hatte eine Frau aus Raon l'Etape
geheiratet. Er sprach also fließend deutsch.
Zwangsarbeit in Sinsheim, Metallwaren Rau
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Am Tag der
Razzia, am 8.November 1944
Am 8. November haben die Deutschen die Kanalisation gesprengt. Das
Wasser stieg in die Keller hoch. Und dann sind an diesem Tag die
Deutschen in die Keller heruntergekommen, wo wir damals wohnten (wegen
der Frontnähe). Ich war gerade Holz holen in meinem Garte. Da
kommt ein Deutscher und fragt: Wie viele seid ihr hier? „Ich
weiß es nicht?“ „Wie viele Männer sind da?“ „Ich weiß
es nicht.“ Da hat er gesagt: „Komm, komm! Sie kommen auch mit!“ „Wozu
denn?“ „Um Gräben zu bauen. Ihr geht nach Badonviller!“ Ich habe
gesagt: „Hören Sie, ich habe einen Rheumatismus...“ Ich hatte die
Bescheinigung meines Arztes dabei. Das erste, worauf er gesehen hat,
war das Datum. Es war abgelaufen. Er hat gesagt: „Keine Geschichten.
Geh dahin!“ Er hat mich an die Wand gestellt, ich habe mir gesagt:
Meine letzte Minute ist gekommen. Da hat er gesagt: „Los, holen Sie
sich Verpflegung für zwei Tage und eine Decke!“ Dann sind wir alle
260 in einen Raum in der Hauptstraße gesteckt worden, man konnte
sich kaum mehr rühren. Und dann haben sie uns mit LKWs nach Celles
sur Plaine gebracht, dann sind wir bis zur Spiegelfabrik von Cirey
gegangen. |
Erinnerungen
von der Verschleppung
Wissen Sie, dass ein Griechischprofessor mit uns war? Ich erinnere mich
an Dinge, die er uns beim Marschieren gesagt hat: „Hier siezt man sich
nicht, hier duzt man sich!“ Herr Colombier... Ich habe ihm gesagt, das
war [auf der Zwischenstation] in der Spiegelfabrik: „Hör mal! Geh
hinter mir, ich werde mich in den Straßengraben werfen und dann
werde ich mich davon machen!“ Dann sind wir in der Spiegelfabrik von
Cirey angekommen. Herr Colombier hat zu mir gesagt: „Mach das nicht!“
Er hat sich rasiert und hat mir das auch gegeben: „Da rasier
dich!“ Und dann kamen Leute, die uns etwas zu essen bringen wollten,
Leute aus dem Ort. Die militärischen Wachleute riefen Colombier
auf. Colombier antwortet nicht. Und dann habe ich seinen Rucksack
genommen und ihm gesagt: „Gehen Sie, gehen Sie!“ Er ist
weggegangen... Er war geschickt, der Spaßvogel, denn die
Leute, die uns etwas zum Essen und Trinken brachten, kamen mit Taschen.
Also hat er eine Dame um die Tasche gebeten, hat sie genommen und sie
haben ihn mit der Tasche hinausgehen lassen... Schließlich sind
wir abmarschiert nach Hemingen, wo wir in einen Zug verladen wurden. Das
war ein normaler Zug mit normalen Wägen. In Heidelberg hat man uns
in die Turnhalle der Universität geführt. |
Im Marstall in Heidelberg als Dolmetscher
Wir sind in Heidelberg angekommen und wir wurden in einer großen
Turnhalle einquartiert. Das war ein großes Gebäude mit sehr
dicken Mauern, ein ziemlich langes Gebäude am Ufer des Neckars,
erbaut aus rotem Sandstein. Auf dem Boden lag Stroh, damit man darauf
schlafen konnte. Wir haben auf dem Boden geschlafen, einer neben dem
andern. Das war ziemlich eng, allein aus Raon 260. Wir Kameraden waren
alle zusammen.
Die Deutschen haben nach einem Dolmetscher gesucht. Da ich perfekt
deutsch gesprochen habe…- ich wollte aber erst nicht, doch meine
Freunde sagten : « Los, Richert, geh hin ! » -
Also habe ich für alle Männer übersetzt.
Das war im Saal drin, es gab da einen Tisch, sie
ließen einen nach dem anderen vortreten. Sie hatten uns unsere Ausweise
weggenommen, so ist jeder drangekommen. « Rufen sie den Michel ». Michel,
André wurde aufgerufen und kam. Der deutsche Beamte hat gefragt, was er
macht und ich habe übersetzt : « Er ist Industrieller. » « Geht in die
Gießerei ! » Das hat er notiert und das hat der dann machen müssen.
F : Es ging vor allem um die Arbeitsqualifikation ?
Ja, nur das hat ihn interessiert. Und ich war der Übersetzer...
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Der Marstall war etwa eine Woche ein lang
erstes Quartier für die
wahrscheinlich 700 Männer und Jungen aus den Vogesen. |
Zwangsarbeit in Sinsheim bei Rau
Ich kam nach Sinsheim. Ich war mit dem alten Flaschner Jean Idoux in
Sinsheim, wir waren zu zweit zusammen. Wir haben zuerst bei der Mutter
des Fabrikchefs gewohnt. Wir waren zur Arbeit der Blechnerei Rau, welche
große Gasbehälter fabrizierte, zur Produktion von
Elektrizität, um Generatoren zum Laufen zu bringen, also eine
Generatorenbau-Fabrik. Sie haben die elektrischen Generatoren durch
gasbetriebene ersetzt, wir waren Generatorenbauer. Ich war an eine
mechanische Säge gestellt worden und sägte den ganzen Tag
Metallstücke. Es gab da Kriegsgefangene und auch Deutsche,
deutsche Angestellte. Der Betrieb war ziemlich groß, es waren 70
bis 80 Personen.
Aber ich hatte trotzdem zu lachen, denn es gab da einen Berliner. Er
ließ uns Holzstücke sägen. Er hatte mir eines als
Maßstab gegeben. Gut, ich habe gemessen, ich habe, was weiß
ich, wie viele hundert gesägt. Und als er sie gebraucht hat, waren
sie zu kurz. Aber er hat nichts zu mir gesagt, der Kerl! Er warf alles
in die Elsenz, das war der Bach da in Sinsheim, und er sagte zu niemand
etwas.
Die [französischen] Kriegsgefangenen haben uns Tabak gegeben, denn
wir hatten nichts, nur das war wir auf dem Leib trugen. |
Der Metallbetrieb Rau existiert heute noch an
anderer Stelle als Rau-Streckgitter GmbH.
F : Es waren mehr Leute aus Raon da?
Ja, Jean Idoux war mit mir, und ein anderer, der eigentlich aus Nancy
stammte : er
hieß Maurice Thomas. Er war vielleicht 40, er war älter. Wir
waren aus dem Raon-Transport insgesamt zu sechst der Blechnerei
zugewiesen worden, an die Namen erinnere ich mich nicht mehr.
F : Gab es mehr Vogesen-Leute in Sinsheim ?
Ja, ich erinnere mich an einen Lehrer, der in einem kleinen Betrieb
nebendran gearbeitet hat, an den Namen erinnere ich mich nicht mehr.
Idoux und ich haben zuerst in der Wohnung der Mutter des Chefs geschlafen. Sie war
freundlich, wir hatten ein Zimmer bei dieser Dame. An Weihnachten waren
wir noch bei der Mutter des Chefs, wir waren da zu Anfang in dem
Zimmer, das ging zwei Monate lang.
Und erst danach wurden wir in den Keller der Fabrik gesteckt, da gab es
Stockwerksbetten, wissen Sie, und Stroh. Da waren Russen,
Ukrainer, Franzosen, alle zusammen.
Wir waren sechs Monate ohne Nachrichten von der Familie, und damals war ich
schon verheiratet. |
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